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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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erhöhte sich der Verschuldungsgrad der Privathaushalte um ein Drittel. Danach aber ging es erst richtig los: plus 80 Prozent innerhalb der kommenden 15 Jahre von 1995 bis 2010. Nun war jeder Haushalt durchschnittlich mit 120 Prozent seines Jahreseinkommens verschuldet. Insgesamt stehen die privaten Haushalte der USA zu Beginn des Jahres 2013 mit einem Minus von 13 Billionen Dollar bei Banken, Versicherungen und Kreditkartenunternehmen im Soll. Schon die jüngeren Amerikaner baden in roten Zahlen: 2011 überstiegen die Schulden der Studenten die gesamten Kreditkartenschulden Amerikas.
    So wie sich in der biologischen Evolution die Arten von Erdteil zu Erdteil unterschiedlich ausprägen, weshalb uns in Indien der Indische und in Afrika der Afrikanische Elefant begegnen, so entwickeln sich auch die Wirtschaftssysteme unterschiedlich. Beim Blick auf die Staatsverschuldung – ihre Treiber, ihr Ausmaß, das Empfinden der Bürger über sie – fallen die Unterschiede deutlich ins Auge. Deutschland besitzt pro Bürger nur rund 80 Prozent der Staatsschuld, die man den US -Bürgern aufgeladen hat, und nur 35 Prozent dessen, was der durchschnittliche Japaner als Staatsschuld mit sich herumträgt.
    Nach der Wiedervereinigung und im Gefolge der Finanzkrise schoss zwar auch bei uns die Verschuldung in den roten Bereich, aber die Erholung setzte zeitnah ein. Die Deutschen mögen von Hause aus keine Schulden und demzufolge auch keine Schuldenpolitiker. Viele sind geradezu allergisch gegen dieses permanente Überdrehen und Überspannen, weil sie es nicht als modern empfinden, sondern als unverantwortlich. Der Schuldner erfreut sich hierzulande keines besseren Leumundes als der Säufer und der Hurenbock.
    Die strukturelle Regierungsunfähigkeit der SPD , die in 17 Bundestagswahlkämpfen nur drei Mal die Mehrheit der Stimmen errang und selbst das Duell des Finsterlings Franz Josef Strauß gegen den Ehrenmann Helmut Schmidt verlor, gründet in ihrem finanzpolitischen Lotterleben. Die Sozis können mit Geld nicht umgehen, das lernt jeder Bub in der Grundschule. Und wenn doch ein Genosse auftaucht, der die Grundrechenarten kennt und anzuwenden bereit ist, wie Schmidt und Schiller, wie Schröder und Steinbrück, dann fällt ihm die Partei mit Gebrüll in den Rücken.
    Die deutsche Neigung zum Strebsam- und Sparsam-Sein ist stärker ausgeprägt als die Neigung zum Sozialdemokratisch-Sein. Erst die Arbeit und dann! So lautet das Lebensprinzip unserer Landsleute. Das allerdings bedeutet nicht, dass die Kreditsucht des Staates hierzulande unbekannt wäre. Es bedeutet lediglich, dass die Politiker andere Wege finden mussten und gefunden haben, die Vorliebe des Volkes für das Solide zu hintertreiben.
    Wohlstand wird auch hierzulande in großer Dosis dazugekauft. Man lebt in Deutschland ebenfalls auf Kosten derer, die noch keine Kostenstelle haben. Nur geht man eben diskreter zu Werke als in Amerika oder Japan. Der deutsche Schuldenpolitiker gibt sich nicht als solcher zu erkennen; er hat sich als Sozialpolitiker verkleidet. Die Verschuldung des Landes organisiert er im Wesentlichen nicht über den regulären Staatshaushalt – viel zu auffällig und zu aufreizend! –, sondern über die Sozialkassen.
    Ein Minister, der sich nicht mit einer neuen Sozialleistung in das Geschichtsbuch einträgt, gilt in Berliner Kreisen als Fehlbesetzung. Der » große Lümmel « , wie Heinrich Heine den Staat taufte, ist ein Gernegroß mit Spendierhose. Wenn etwas an ihm zwanghaft ist, dann die Neigung, Geld auszugeben. Nur dass sich am Ende der tiefen Tasche ein großes Loch befindet, also das fiskalische Nichts, versucht er, vor uns verheimlichen.
    In jedem Wahlkampf reicht der Regierungspolitiker geldwerte Ansprüche auf Kosten der Sozialversicherung aus. Mal verspricht er lebenslange Rentenzahlung, dann wieder will er für die Deckung aller Krankheits- und Pflegekosten aufkommen, Zuschüsse zum Kindergarten bietet er an, und neuerdings gibt es auch eine Prämie für jene, die ihre Kinder dem Kindergarten fernhalten.
    Wenn sich all diese Ansprüche aus einer geheimnisvollen Quelle bedienen ließen, bräuchte hier darüber nicht räsoniert werden. Doch so ist es nicht. Der Bürger hält mittlerweile Forderungsscheine gegen seine Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung in der Hand, die er niemals in der darauf verzeichneten Höhe wird einlösen können. Denn der Trick dieser Wertgutscheine ist ja der, dass der Bürger seine Forderungen gegen niemand

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