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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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Commerzbank oder durch den Ausbau ehemaliger Förderbanken wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu einem vollwertigen Geldhaus. Mittlerweile ist die KfW die drittgrößte und profitabelste deutsche Bank.
    Das Entflechten von Banken und Staat setzt auf Seiten der Regierung eine Besonderheit voraus, über die wir uns im Klaren sein müssen. Sie muss sich ändern wollen. Normalerweise erzwingt der Staat Verhaltensänderungen durch Gesetze und Verordnungen, die er erlässt. Das ist für uns Normalsterbliche ein geübtes Verfahren. Wir sind trainiert, unsere Hunde je nach Stadtteil mit oder ohne Leine auszuführen, unsere Arbeitszimmer nach den Vorgaben des Steuergesetzbuches einzurichten, und auf der Autobahn braucht man uns nur eine Zahl zurufen, schon geht der Fuß vom Pedal.
    Der Staat aber ist gänzlich ungeübt in derartiger Unterwürfigkeit. Er müsste es sich im Falle seiner Kreditsucht selbst untersagen, über die Verhältnisse zu leben.
    Das fällt ihm naturgemäß schwer. Er hat es bei der Einführung des Euro versucht; als es darum ging, den Verdacht vorsätzlicher Maßlosigkeit zu zerstreuen, setzte er sich Obergrenzen für die Verschuldung. Das Ergebnis dieses Selbstversuchs ist bekannt: Der Rechtsbruch ist mittlerweile notorisch. Und weil das so ist, wird auf Bestrafung, die der Vertrag von Maastricht ausdrücklich vorsah, verzichtet. Die Schwere der Tat begründet den Freispruch.
    Der Blick nach Amerika zeigt, dass die europäische Nonchalance keine Singularität für sich beanspruchen kann. In den USA , wo bereits im Jahr 1917 ein Schuldenlimit in der Verfassung verankert wurde, wird dieser Anker ein ums andere Mal über den Boden der Tatsachen geschleift – der jeweils neuen Verfassungsobergrenze für die Staatsschuld entgegen.
    Unter dem Beifall der Wall Street, die Sparsamkeit mit Rezession übersetzt und damit das Land regelmäßig in Angst und Schrecken versetzt, haben Kongressabgeordnete, Senatoren und das Weiße Haus es zum Jahreswechsel 2013 wieder getan. Es war das 95. Mal, dass der Wille der Verfassungsväter gebrochen und die Schuldenobergrenze ins Bequeme verschoben wurde. Das ist ein so alltäglicher wie verstörender Vorgang: Der Staat setzt sich sein Recht selbst, auch da, wo man es ihm eigentlich entzogen hat.
    Trotz dieser Schwierigkeiten des Staates mit der Selbstbescheidung muss das Gespräch zwischen Öffentlichkeit, Banken und Regierung gesucht werden. Feigheit ist kein guter Ratgeber. Die erste Bürgerpflicht besteht darin, den Verantwortlichen ihre fortgesetzte Verantwortungslosigkeit übel zu nehmen. Vater Staat und das Finanzsystem müssen einander entflechten.
    Alle Macht dem Volke – warum das Parlament sein Budgetrecht verwirkt hat
    Das Parlament hat sich – nicht nur in Deutschland, aber auch in Deutschland – als unfähig erwiesen, die hybriden Verhältnisse zu beenden. Zuweilen beschleicht einen das Gefühl, die Abgeordneten haben schon Schwierigkeiten, das Fatale dieser Beziehung überhaupt zu erkennen.
    Eine parteiübergreifende Unempfindlichkeit hat sich über die Schulden-Jahrzehnte herausgebildet, und es gibt bisher keinerlei Anzeichen einer Re-Sensibilisierung. Wir kennen das ansonsten aus dem Alltagsleben: Ausgerechnet das Idiotische und Ignorante weist jene zählebige » Nachhaltigkeit « auf, die wir uns ansonsten so dringend wünschen.
    Der real existierende Parlamentarismus zweifelt die Regierung nicht an, sondern hält ihr den Steigbügel. Der Souverän ist frei nur darin zu entscheiden, ob die Abgeordneten der Regierung den Bügel von links oder von rechts halten. Schon Karl Jaspers hatte in seinem 1966 erschienenen Buch » Wohin treibt die Bundesrepublik « den parlamentarischen Parteien vorgeworfen, sie hätten sich von » Organen des Volkes « zu » Organen des Staates « entwickelt. Sie würden die Wirksamkeit des Volkes » demokratiekonterkarierend minimieren «.
    Appelle an die Vernunft der Abgeordneten hat es seither reichlich gegeben. Sie wurden gehört, aber nicht verstanden. Was uns zu dem radikalen, aber in seiner Konsequenz logischen Schritt führt, den Abgeordneten das Edelste ihrer Rechte, das Budgetrecht, wieder zu entreißen. Sie haben es durch ihr Tun ohnehin verwirkt.
    Das Budgetrecht war einst als das entscheidende Instrument gegen staatliche Willkür gedacht. Die Engländer setzten es 1689 in ihrer » Glorious Revolution « durch. In der » Bill of Rights « rangen sie König William das Zugeständnis ab, dass künftig die

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