Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
verschwinden. So stehen wir denn hier nicht vor einer Unmöglichkeit, sondern vor einer Notwendigkeit, auch wenn Staat und Banken das bestreiten werden. Aber das darf uns weder hindern noch wundern: Kai will nicht in die Kiste zurück. Wer will ihm das verdenken.
Um den Rückzug des Staates aus der Geldwirtschaft und den Rückzug der Geldwirtschaft aus dem Gemeinwesen zu organisieren, würde ein Entflechtungsgesetz gute Dienste leisten. Die dann vom Bundestag einzusetzende Entflechtungskommission würde die nötige Aufarbeitung der jüngeren Wirtschaftsgeschichte vorantreiben, damit für jedermann deutlich wird, wie da eine Struktur entstehen konnte, die außerhalb der Wettbewerbsordnung ein parasitäres Leben lebt.
Die Alliierten des Zweiten Weltkrieges haben nach ihrem militärischen Sieg die segensreichen Wirkungen einer Entflechtungspolitik vorgeführt. Ihnen ging es darum, den im Dritten Reich eingeschlagenen Entwicklungspfad, der vom » capitalism « zum » cartelism « , vom Kapitalismus zum Kartellismus, geführt hatte, wieder rückgängig zu machen.
Im Potsdamer Abkommen wurde festgeschrieben, dass die exzessive Konzentration von wirtschaftlicher Macht, die Ausschaltung der Marktwirtschaft, die Organisation der Wirtschaft in Kartellen und Syndikaten, dem Wohlstand und der Demokratie nicht bekömmlich waren und daher rückabgewickelt gehörten. Wörtlich hieß es in den » Wirtschaftlichen Grundsätzen « des Abkommens:
» In kürzester Frist ist das deutsche Wirtschaftsleben zu dezentralisieren mit dem Ziel der Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen. «
Auf dieser Basis wurden in der von den USA und Großbritannien gebildeten Besatzungszone (Bizone) zwei Verordnungen über das » Verbot der übermäßigen Konzentration deutscher Wirtschaftskraft « erlassen und mit der Entflechtung der IG Farben und der Ruhrindustrie begonnen. Vorbild für derartige Eingriffe in die Wirtschaftsordnung war das amerikanische Anti-Monopolgesetz, der Sherman Antitrust Act, der zuerst gegen das Rockefeller-Imperium, später dann gegen AT &T, IBM und United Fruit, in unserer Zeit gegen den Softwaregiganten Microsoft zum Einsatz kam. Dabei geht es nicht nur um das Verhindern von Monopolen, sondern um das Bekämpfen jedweder Strukturen, die der Wettbewerbsordnung zuwiderlaufen.
Zur Verabschiedung eines deutschen Entflechtungsgesetzes kam es nicht. Der beginnende Kalte Krieg absorbierte früh schon die Aufmerksamkeitsreserven der Amerikaner.
Immer wieder wurde im Nachkriegsdeutschland die Einführung einer Entflechtungsmöglichkeit im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gefordert. 1961 schlug der erste Präsident des neu geschaffenen Bundeskartellamtes Eberhard Günther vor: » Es sollte erwogen werden, marktbeherrschende Stellungen, die einen erheblichen Störungsfaktor im Marktmechanismus darstellen, zu entflechten. « Zuletzt führte Rainer Brüderle als Bundeswirtschaftsminister die Debatte weiter. Ihm ging es vor allem darum, die Giganten ihrer Branche, die Stromkonzerne, aber auch Telekom und Post, im Bedarfsfall zum Verkauf von Teilaktivitäten zwingen zu können.
Im Fall der Bastardökonomie geht es nicht um die Entflechtung einer Branche, sondern einer Beziehung. Das macht die Angelegenheit nicht leichter. Es geht um die Überprüfung aller Spezialregeln, die der Staat im eigenen Interesse gesetzt hat, um zum Beispiel Versicherungen und Banken auf den Kauf von Staatsschuldscheinen Appetit zu machen.
In einem geordneten Verfahren wäre der Rückzug der Geldwirtschaft aus der Staatsfinanzierung zu organisieren. Eine Schuldenbremse, wie sie neuerdings in der Verfassung steht, wird nicht ausreichen. Denn sie ist die Erlaubnis, den Schuldenberg weiter wachsen zu lassen, wenn auch in gebremstem Tempo. Doch es muss um die Rückführung der Haushaltsdefizite und der Staatsschuld in den Sozialkassen gehen, gerade vor dem Hintergrund der demographischen Problemberge. Die aber steuert die Bundesregierung derzeit so kraftvoll an wie der Kapitän der Titanic den Eisberg. Kein Exporterfolg wird Deutschland retten, wenn die Alterspyramide schließlich auf dem Kopf steht.
Im Gegenzug muss der Rückzug des Staates aus der Bankenwelt eingeleitet werden. Derzeit befinden sich 43 Prozent der Bilanzsumme deutscher Banken unter öffentlicher Kontrolle, durch Teilverstaatlichung wie im Falle der
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