Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Vorstellungen seien » nicht hilfreich « , da das Volk mit der Aufstellung von Haushaltsplänen überfordert sei, dass es der parlamentarischen Expertise bedürfe, um einen Jahresetat zu verabschieden. Doch das ist nur der in allen Hauptstädten vorhandene Reflex zur Geringschätzung des Volkes. Der Abgeordnete vergisst gern, dass er der Vertreter der Bürger ist, nicht ihr Vormund.
Die Bürger ihrerseits, die Deutschen zumal, haben in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass sie in eigener Sache sehr wohl mit Geld umgehen können, und zwar besser als jene Körperschaften, die sich ihnen überlegen fühlen. Auch unsere Schweizer Nachbarn belegen mit jeder Volksabstimmung, dass man einem mündigen Volk die Mündigkeit ruhigen Gewissens zutrauen darf.
Würde der Finanzminister so wirtschaften wie der durchschnittliche Deutsche, hätte er Jahr für Jahr Überschüsse zu melden und nicht Rekordschulden. Selbst in konjunkturell schwieriger Zeit halten die Deutschen ihre Sparquote hoch. Sie schwankt zwischen 10 und 14 Prozent des Jahreseinkommens. In keinem einzigen Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik befanden sich die Deutschen in der Schuld ihrer Banken. Wenn es in der Finanzkrise einen stabilisierenden Faktor gab, dann den deutschen Sparer.
Auch die amerikanischen Privathaushalte sind besser als ihr Ruf. Schon beim ersten Gewitterdonner der Finanzkrise begannen sie mit der Sparsamkeit. Die negative Sparquote, die 2005 zeitweise registriert wurde, schoss schon vor der Lehman-Pleite wieder in den schwarzen Bereich. Mittlerweile sparen die Amerikaner etwa halb so viel von ihrem verfügbaren Einkommen wie die Deutschen. Hätte die Regierung in Washington sich ähnlich verhalten, wäre die Haushaltslage heute entspannter, und die neuerliche Verschiebung der in der Verfassung vorgeschriebenen Verschuldensgrenze hätte unterbleiben können.
Nun kann der Bürger in der Tat nicht alle Haushalte von Bund, Land und Kommunen selber aufstellen. Aber das muss er auch nicht. Die Pflicht zur Budgetaufstellung liegt auch heute bei der Verwaltung, die Notwendigkeiten und Machbarkeiten zu taxieren hat. Worum es geht, ist nicht die Ausarbeitung der Pläne, die ja auch der Abgeordnete heute nicht selbst erstellt, sondern die Festlegung von Leitlinien für die Verabschiedung in den Parlamenten. Es geht um das berühmte letzte Wort.
Die finalen Fragen nach der verantwortbaren Höhe des Kreditbedarfs, der richtigen Besteuerung der Arbeitnehmer und Angestellten, das Maß an ausgereichten Subventionen und dem notwendigen Betrag, der für Investitionen in die Zukunft gebraucht wird, kann der mündige Bürger sehr wohl entscheiden. Zumal das Internet hier neue Möglichkeiten der Information und der Mitsprache bietet. Alle Firmen, Verbände und Parteien, jedes Medienhaus und nahezu jeder Haushalt und auch die meisten Vereine nutzen sie. Nur die Staatlichkeit weigert sich, die technischen Partizipationschancen durch das alle verbindende Internet überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Dabei bietet sich hier eine neue, bisher nicht gekannte Direktverbindung zwischen Staat und Souverän an. Sie nicht zu nutzen, wird der Demokratie mittelfristig schaden.
Viele Wege führen zur Gelddemokratie, die den mündigen Bürger zum Ausgangs- und Endpunkt der finanziellen Entscheidungsprozesse macht. Dafür braucht er neben den Instrumenten der Partizipation vor allem Information. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, dass die Regierung ihre Beziehungen zu den Banken offenlegt. Das Stichwort, das die Beteiligten frösteln lässt, lautet: Transparenz.
In einem Logbuch ihrer gemeinsamen Reise würden die Bundeskanzlerin, die Ministerpräsidenten und die Bürgermeister für die ihnen anvertrauten Teile der Staatlichkeit Rechenschaft über den Stand ihrer Bankbeziehungen ablegen. Wir würden wenigstens einmal im Jahr erfahren, welches Geldhaus welchen Privatisierungsauftrag erhielt, wer welche Tranche an Staatsanleihen platziert hat, bei wem der Staat mit welcher Summe im Soll steht – und was der Steuerzahler dafür an wen an Zinsen zahlt. So wie einmal im Jahr der Subventionsbericht vorgelegt wird, wo die Regierung auflisten muss, wen sie alles subventioniert, würde der » Bericht zum Stand der Bankbeziehungen « den Bürger mit der nötigen Klarsicht versorgen. Die Beziehung von Finanzsektor und Regierung wäre mit einem solchen Report noch nicht entflochten, aber sie wäre der Heimlichkeit entrissen.
Die Transparenz-Offensive lässt sich nach
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