Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Parlamentarier das letzte Wort haben sollten, wenn es um die Staatsfinanzen geht, die Verabschiedung des Haushalts, das Erheben von Steuern und Abgaben. Auch in der US -Verfassung fand das Budgetrecht seinen prominenten Niederschlag: » No taxation without representation « – keine Besteuerung ohne Zustimmung der Volksvertreter. So lautet das eiserne Versprechen. Die Vernunft sollte Einzug halten in der Staatlichkeit, wo bis dahin Prestigedenken, Kriegslüsternheit und Prunksucht die Staatsfinanzen oftmals ruiniert hatten.
In Deutschland war das Budgetrecht erst in der Zeit von Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführt worden. Heute manifestiert sich dieses Recht in Artikel 110 des Grundgesetzes. Ihm zufolge »legt das Parlament per Gesetzesbeschluss den Haushaltsplan fest, in dem sämtliche Ausgaben des Bundes offengelegt werden müssen. Nur mit der Mehrheit des Parlaments ist die Regierung ›bei Kasse‹ und damit handlungsfähig«, heißt es auf der Homepage des Deutschen Bundestages.Es geht beim Haushaltsplan also um die in Zahlen gegossene Politik. Will eine Regierung mehr ausgeben, als ihr von den Abgeordneten bewilligt wurde, muss sie einen Nachtragshaushalt einbringen.
Die Abgeordneten können sich die Empörung über den Vorschlag, ihnen das Budgetrecht zu entreißen, sparen. In Wahrheit haben sie es durch ihr Finanzgebaren der letzten Dekaden, als kein Steuerrekord hoch genug ausfiel, um nicht doch einen neuen Kredit zu bestellen, selbst zur Disposition gestellt. Der Horizont der Abgeordneten war systematisch zu kurz gespannt. Sie dachten an die kommende Wahl, wo sie an das Wohl des Landes hätten denken sollen. Sie sahen nicht das große Ganze, nur ihr Karo darin. Sie haben, um es in der Sprache des Alten Testamentes zu sagen, die Talente, die man ihnen gab, nicht gemehrt, sondern verprasst.
Das darf nicht folgenlos bleiben. Denn das Budgetrecht enthält, wie alle anderen Rechte, eine eingebaute Pflicht. Diese Pflicht hätte darin bestanden, der notorischen Verschuldung Einhalt zu gebieten. Stattdessen wurde jedes politische Ereignis, dessen man habhaft werden konnte, die Ölpreise-Krise, die Deutsche Einheit, der Aufbau Europas, die Lehman-Pleite, die Euro-Turbulenz, der tatsächliche wie der nur befürchtete Konjunktureinbruch, zum Anlass genommen, bei den Banken Nachschub zu bestellen. In den Flachbauten der Parteipolitik sind heute nur zwei Sorten von Schuldenmachern zu besichtigen: Die einen tun es lustvoll und aus Prinzip, die anderen schamvoll und mit schlechtem Gewissen. Den roten Zahlen sieht man diese Charakterunterschiede später nicht an.
Bleibt noch die Frage zu klären: Wenn die Abgeordneten das Budgetrecht, also das letzte Entscheidungsrecht über die Staatsfinanzen, verlieren sollen, wer dann wird es an ihrer Stelle wahrnehmen?
Die Regierung scheidet aus den bekannten Gründen aus. Sie kann und darf sich nicht selbst kontrollieren. Ihre Neigung, die Kreditsucht zu bekämpfen, ist ohnehin unterwickelt. Wer die schubweise Entwicklung der deutschen Staatsverschuldung betrachtet und sie den jeweiligen Kanzlern zuordnet, der wird keinerlei parteipolitische Unterschiede erkennen. Die Schuldenpolitik der Kanzler Schmidt und Brandt wurde von der damaligen CDU -Opposition hart kritisiert. Als man dann selbst die Führung des Landes übernahm, gaben sich Kohl und Merkel alle Mühe, den Weg in den Schuldenstaat beschleunigt fortzusetzen. Die Kreditsucht scheint parteilos.
Die Bundesbank besitzt die fachliche Eignung, das Budgetrecht sachgerecht zu handhaben, aber nicht die demokratische Legitimation. Auch ein neues Gremium der weisen Männer ist nicht zu empfehlen, da die Parteipolitik sich binnen kürzester Zeit seiner bemächtigen würde.
Nur einer kommt in Frage, der mit seiner praktischen Vernunft die Kraft besitzt, hier ordnend einzuschreiten: der Souverän selbst. Er verfügt über die Autorität und die Expertise, die erforderlich sind. Und er ist es gewohnt, in Dekaden zu denken. Sein Ziel ist nicht die Wiederwahl, sondern die Stabilität der Verhältnisse. In einem Meer der Augenblicksinteressen und politischen Nebengedanken ist er der Festlandsockel, der nicht schwankt und nicht nachgibt. Der Souverän, das ist sein großer Vorteil, untersteht einzig seinem Gewissen, derweil der handelsübliche Parlamentarier sich diese Freiheit vom Parteienstaat und den verschiedenen Lobbygruppen hat abkaufen lassen.
Man hört die Abgeordneten sogleich knurren, die hier geäußerten
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