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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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der Angela Merkel sind nicht länger das Symbol von mütterlicher Fürsorglichkeit, sondern das weithin sichtbare Zeichen deutscher Überforderung.
    Das währungspolitische Kartenhaus Europa, an dem Merkel, wenn auch erkennbar widerwillig, mitbaut, ist keine Behausung, die Vertrauen erweckt. Dafür werden Deutsche, Italiener, Franzosen und die anderen europäischen Völker ihre Nationalstaaten, trotz der dortigen Enge, wohl niemals freiwillig verlassen.
    Die ökonomische und politische Schadensbilanz liegt vor, die gesellschaftliche steht noch aus. Wie sich die Vorgänge im Herzen unserer Volkswirtschaft auf die Köpfe der Gesellschaft auswirken, kann bisher nur vermutet werden. Niemand weiß genau zu taxieren, wie viel vom Vertrauenskapital unserer Wohlstandsordnung bereits abgeschmolzen ist. Spürbar ist, der Furor gegen die Marktwirtschaft wächst. » Es bedrückt mich sehr, in welchem Maße die Marktwirtschaft in unserer Bevölkerung an Akzeptanz verloren hat. Während sie noch vor 15 Jahren mehrheitlich mit Wohlstand und Aufstiegschancen assoziiert wurde, dominiert heute die Assoziation mit Ungleichheit, Ausgrenzung und Egoismus « , sagt der ehemalige Chef der Wirtschaftsweisen Bert Rürup.
    Wir sollten den Zorn der vielen als das verstehen, was er auch ist: ein Auftrag zur Aufarbeitung der Ereignisse, die sich da im Innersten unserer Volkswirtschaft ereignet haben. Die Gesellschaft hat ein Recht darauf, dass dieser Auftrag von ihren Eliten angenommen und abgearbeitet wird. Die Verantwortlichen von Regierung, Finanzwirtschaft, Notenbank und die großen Köpfe der Wissenschaft sind nach den krisenhaften Ereignissen der letzten drei Jahre erklärungspflichtig.
    Bei den Untersuchungsausschüssen in Großbritannien, den Senatsanhörungen auf Capitol Hill und den Vorladungen zur Sitzung des Finanzausschusses in Berlin geht es nicht nur um Spektakel und Schikane, wie einige der betroffenen Banker meinen, sondern um die notwendige Einmischungsarbeit. Wir wissen heute mehr über das Treiben des jungen Thronfolgerpaares in Buckingham Palace als über das Treiben in den Händlerräumen der Deutschen Bank. Die umgekehrte Erkenntnissituation wäre der Gesellschaft bekömmlicher.
    Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zur » Aufklärung von Banken- und Staatsschuldenkrise – Ursachen, Wirkungen, Schlussfolgerungen « ist nach Paragraf 44 des Grundgesetzes jederzeit möglich. Politisch wäre er überfällig. Die Ereignisse im Zentralbereich von Marktwirtschaft und Staatlichkeit sind aufklärungswürdig und aufklärungsfähig. Die Verantwortlichen haben Namen und Gesicht.
    Gemessen an so mancher Nebensächlichkeit, die es aus parteitaktischen Gründen zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses gebracht hat, wartet hier ein komplexer Fall auf seine Ausleuchtung. Auch in der Reihe der großen, die deutsche Nachkriegsgeschichte prägenden Untersuchungsausschüsse, wie denen zur Flick-Affäre, zum Fall Guillaume und zur Pleite des gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat, kann sich die kombinierte Banken- und Staatsschuldenkrise sehen lassen. Parteipolitisches Kapital lässt sich aus ihrer Aufklärung vermutlich nicht schlagen. Deshalb findet sich bisher auch keine Mehrheit, einen solchen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Es wirkt, als habe das Gros der Parlamentarier ein Schweigegelübde abgelegt.
    Vor allem die wilden Jahre zwischen 1990 und 2008 gehören aufgeklärt, auch unter Einbeziehung der Staatsanwaltschaften. Wenn das Recht » als das Immunsystem des Gesellschaftssystems « (Peter Sloterdijk) funktionieren soll, muss der Rechtsstaat mit all seinen Antikörpern zum Einsatz ausrücken. Bis zum Beweis des Gegenteils sollten wir davon ausgehen: Die Keller der Banken sind voller Leichen.
    Zu viele Fragen sind offen, als dass man mit dem Aktionismus der CDU -Kanzlerin und dem eilig verfassten 10-Punkte-Plan des SPD -Kanzlerkandidaten zur Tagespolitik übergehen dürfte: Wie konnte es sein, dass Zinssätze wie der Euribor und der Libor, die für Millionen von Finanzprodukten, darunter auch den normalen Hauskredit, als Richtgröße gelten, über Jahre manipuliert wurden? Warum haben die Vorgesetzten der Manipulateure nichts gemerkt? Und wo war der Staat mit seinen Überwachsungsinstanzen?
    Wieso durften normale Händler überhaupt Milliardenrisiken eingehen, und wenn sie es nicht durften, wie konnten dann die Sicherheitssysteme so kläglich versagen? Wie gerieten jene derivativen Produkte in

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