Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Belieben erweitern. So wie Patienten ihren Blutzucker kontrollieren und ihr Gewicht überprüfen, so wie Studenten ihr Girokonto und Geschäftsreisende ihr Meilen-Deputat bei der Lufthansa im Blick haben, so könnten wir auch unseren Status als Staatsbürger in Augenschein nehmen. Der Finanzminister bräuchte nur eine Seite im Internet einzurichten, wo der aktuelle Stand von Einnahmen und Ausgaben als Säulendiagramm, das sich jeden Tag bewegt, mitgelesen werden kann. Übersteigen die Ausgaben den Planansatz, färbt sich die Säule rot. Bleibt alles im verabredeten Lot, leuchten die Säulen grün. So hat der Bürger seine Parlamentarier und die von ihm finanzierte Verwaltung jederzeit im Blick.
Unser Parlament würde dadurch geschwächt, das stimmt. Aber die Demokratie würde gestärkt. Und in der Sache hätten wir Gutes zu erwarten. Der Bürger beherrscht die vier Grundrechenarten. Er weiß zwischen brutto und netto zu unterscheiden. Und zu den kreditgebenden Banken steht er – anders als die Regierung und ihre Vasallen in den jeweiligen Regierungsfraktionen – in einer angeborenen Distanz. Nie klang das Wort » Basisdemokratie « so verführerisch wie in diesen Tagen, wo die Vertreter der angeblichen Profipolitik sich all die Unseriositäten leisteten, die man der Basisdemokratie immer nachsagte.
Natürlich wird jeder halbwegs pfiffige Abgeordnete ein Dutzend Gründe vortragen, warum diese Fragen dem Bürgerlein gefälligst entzogen gehören. Nicht gescheit genug! Zu faul! Der Datenschutz! Diese Komplexität! Europa!
Wir sollten nachsichtig sein mit unseren Volksvertretern. Sie sind nicht bösartig, nur verunsichert. Sie haben sich ein anderes Bild von ihrem Volk gemacht. Sie wollten dem Bürger etwas bieten, und sei es auf seine eigenen Kosten. Aber vielleicht liegt da ja der Denkfehler. Wir sollten unseren Wahlkreisabgeordneten in der nächstbesten Bürgersprechstunde aufsuchen, ihn in den Arm nehmen und beruhigen. Lieber Volksvertreter, wir erwarten von Dir gar keine neuen Haltlosigkeiten. Nun lass uns doch erst mal die bisherigen abbezahlen.
Dann wird er uns verständnislos anschauen nach all den Jahrzehnten, in denen er glaubte, uns beglücken zu müssen. Wenn er tief Luft geholt hat, können wir ihm davon erzählen, wie wir Bürger mit Geld umgehen, wie wir emsig sparen, wie wir Versicherungen für später und für die Kinder abschließen, wie wir das Haus abstottern und es nicht mit immer neuen Krediten bezahlen. Der rollierende Hauskredit scheint ein Finanzprodukt, das nur Bundespräsidenten in Anspruch nehmen.
Wenn der Abgeordnete uns dann noch immer keinen Glauben schenkt, sollten wir ihm ein paar Zahlen mitbringen, zum Beispiel diese: In denselben 60 Jahren Bundesrepublik, in denen der Abgeordnete und seine Kollegen das Konto unseres Gemeinwesens um rund zwei Billionen überzogen, haben wir Bürger auf den Sparkonten ungefähr dieselbe Summe als Guthaben angehäuft.
Natürlich wird in einem solchen Gespräch auch über den Unsinn der Selbstsubventionierung zu reden sein. Es macht Sinn, dass die Reichen den Armen geben. Es ist sozial fair, dass die Bemittelten den Minderbemittelten unter die Arme greifen. Aber der Kreisverkehr der Subventionen, wo man morgens Steuern zahlt, um abends Kindergeld zu erhalten, wo der Mittelständler einen Teil seines Unternehmergewinns an den Staat überweist, um gleich hinterher als Bittsteller einen Antrag zur Mittelstandsförderung auszufüllen, wo das arme Mütterchen ihre karge Rente mit der Hilfe der Mehrwertsteuer aufgebessert bekommt, die sie zuvor selbst beim Kaufmannsladen gezahlt hat, wo der Autofahrer an der Zapfsäule für die Sozialversicherung zahlt, die ihm anschließend einen Scheck ausstellt, wo wir staatliche Hilfe bekommen, wenn wir unsere Kinder in den Kindergarten bringen, und dasselbe Geld auch bekommen, wenn wir sie zu Hause lassen. Es besteht der begründete Verdacht, dass unser Staat, der mittlerweile jeden vierten Arbeitsplatz mit einem Staatsdiener besetzt hält, sich in eine Umverteilungsmaschine verwandelt hat, die so manche Milliarden auch in die eigene Tasche schaufelt. Ein derartiger Staat begrenzt dadurch beides – unsere Finanzen und unsere Freiheit. Die Selbstbestimmung erlahmt, derweil der Bürokrat triumphiert. Und die, die wir wirklich brauchen – den Polizisten auf Streife, den unbestechlichen Staatsanwalt, die fleißigen Bankenaufseher, den sachkundigen Lebensmittelkontrolleur, die motivierte Lehrerin und den gut
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