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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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Umlauf, die durch keinerlei Leistungen gedeckt waren? Warum muss jeder Autohersteller Garantieansprüche übernehmen, derweil die emittierenden Banken mit einem Schulterzucken davonkommen?
    Wie erklärt es sich, dass hoch bezahlte Bankvorstände und deren Forschungsabteilungen die Risiken von Ländern wie Griechenland und von Banken wie Lehman Brothers, Bear Stearns und Hypo Real Estate nicht gesehen haben? Dieselbe Frage geht auch an den Finanzminister und das ihn umgebende Ministerium. Man kann dieses Nichterkennen einer solchen Jahrhundertverwerfung durch das Finanzministerium auch als unfreiwilligen Vorschlag der Ministerialräte zum Bürokratieabbau verstehen. Die Bundesregierung braucht keine Grundsatzabteilung, die das Grundsätzliche nicht erkennt.
    Entflechtung jetzt!
    Die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre wird die Entflechtung von Staat und Finanzsektor sein. Die bastardisierte Marktwirtschaft hat sich als Sackgasse der ökonomischen Evolution erwiesen. Beim Zusammenspiel der zwei ungleichen Partner wurden auf beiden Seiten Kontrollfunktionen durch Abhängigkeitsbeziehungen ersetzt. Die Großzügigkeit der Geldgeber haben die Geldnehmer durch Blauäugigkeit erwidert. Und als alles schiefging, wurde die Unvernunft der Banken nicht beendet, sondern verstaatlicht. Neben dem Master of the Universe hatte nun der staatliche Bankenretter seinen Auftritt. Der eine glaubte, er darf alles riskieren. Der andere glaubt, er kann alles retten.
    Diese symbiotische Beziehung von Staat und Finanzwesen haben wir deshalb auf den Namen » Bastardökonomie « getauft, weil eine derartige Nähe von Staat und Finanzwirtschaft im Genotyp der Marktwirtschaft nicht vorgesehen ist. Beide sollten eine Arbeitsbeziehung unterhalten, aber nicht ineinander verschmelzen. Jetzt, wo es passiert ist, müssen die beiden wieder Arbeitspartner werden und ihre verhängnisvolle Affäre beenden. Die Marktwirtschaft braucht natürlich beide – die Ordnungsmacht Staat und ein Finanzsystem, das die Brücke schlägt zwischen Geldbesitzern und Ideenbesitzern, das Investitionen ermöglicht, Spargelder verzinst und gegen Währungsrisiken absichert. Aber sie braucht beide in getrennter Formation. Nicht der Staat und die Banken sind von Übel, sondern ihre Zusammenarbeit ist von bedenklichem Charakter, weil beide die Risiken, die sie eingehen, nicht tragen können. Beide brauchten nachweislich und nun bereits mehrfach einen Dritten – die Notenbank – und in Wahrheit noch einen Vierten – als Kreditgaranten der letzten Instanz, als » Lender of Last Resort « , den Steuerzahler –, um ihre Zusammenarbeit fortsetzen zu können. Das Rad, das da gedreht wird, ist zu groß. Es wird, wenn wir es ihnen nicht wegnehmen, vieles unter sich zerstören, auch unseren Wohlstand.
    Das Entflechten der Beziehung von Staat und Bankensystem wird ein schwieriger Prozess, denn diese Beziehung ist keine platonische. Staat und Bankenwelt sind an vielen Stellen regelrecht miteinander verwachsen. Viele können sich ein Leben ohne die Nähe des anderen gar nicht mehr vorstellen. Die Banker in Frankfurt, London und Paris reden über das Steuerzahlergeld, als hätten sie es selber gedruckt. In Washington werden Finanzminister und Wirtschaftsberater des Präsidenten mittlerweile mit derart lässiger Selbstverständlichkeit an der Wall Street rekrutiert, dass man meinen könnte, die Bankhäuser seien die Lehrwerkstätten der Regierung. Und auch die EZB führt ein Mann von Goldman Sachs, als seien Investment- und Notenbank zwei Abteilungen ein und derselben Firma.
    Nun verdanken wir Charles Darwin die Erkenntnis, dass nicht nur der Einzelne sterblich ist, sondern auch die Art, der er angehört, sich wandeln und verschwinden kann. Das war ein veritabler Schock für alle Zeitgenossen Darwins, weil die göttliche Schöpfungsgeschichte im Augenblick der Darwin’schen Erkenntnis als Fantasterei dastand, als ein Erwachsenenmärchen ohne Wirklichkeitsbezug.
    Uns Nachgeborenen aber bietet Darwins Enthüllung stillen Trost, denn die Natur verfügt offenbar über Wege und Möglichkeiten, das Gefährliche und Unpraktische, das Selbstzerstörerische wie das Sinnlose wieder aus dem Angebot zu nehmen. Die Natur geht dabei im Übrigen behutsam vor, sie merzt nicht aus und würgt nicht ab, aber sie lässt auslaufen und ausklingen, was sich nicht bewährt hat.
    Für unsere bastardisierte Ökonomie bedeutet das: Was wie Kai aus der Kiste in unser Leben sprang, kann auch wieder in der Kiste

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