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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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verfahren wie mit den Griechen, die Menschen dort würden noch immer Trabant fahren und auf die Bananen der Importeure warten. Alles, was wir in der DDR richtig gemacht haben – der Schuldenerlass für die Betriebe, die Anreizprogramme für den zunächst nicht vorhandenen Mittelstand, die stufenweise Anhebung der Löhne zur Schaffung von Kaufkraft –, machen wir in Griechenland falsch. Wer nicht sät, kann keine blühenden Landschaften hervorbringen.
    Die Idee von der Aufspaltung der Währungsunion in einen Süd- und einen Nord-Euro konnte nur im Treibhausklima der deutschen Talkshows keimen. In der wahren Wirklichkeit würde dieses Vorgehen nicht die Linderung der Probleme, sondern ihre Potenzierung bedeuten. Die Refinanzierung der südeuropäischen Staatsschuld würde noch teurer als heute. Der Risikoaufschlag für einen Süd-Euro würde die Leistungskraft der ohnehin leistungsschwachen Wirtschaften überfordern – und somit Banken und Staaten in eine noch engere Umklammerung zwingen. Griechenland und die anderen Südeuropäer blieben vom Kapitalmarkt vermutlich auf ewig ausgeschlossen.
    Auch für die deutsche Exportindustrie, die Waren im Wert von jährlich immerhin rund 110 Milliarden nach Südeuropa liefert, verhieße ein Ende der bisherigen Währungsunion nichts Gutes. Deutschland würde mit Exportrückgängen und steigender Arbeitslosigkeit bezahlen. Zur Erinnerung: Seit Gründung der Währungsunion haben sich die deutschen Exporte auf über eine Billionen Euro pro Jahr verdoppelt, auch dank der kreditfinanzierten Kauflust der Südeuropäer.
    Die deutschen Banken und der heimische Steuerzahler würden bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone nicht befreit aufatmen, sondern – ganz im Gegenteil – mit Griechen, Portugiesen und Spaniern mitleiden: » Die Kredite, die Deutschland an überschuldete Euro-Staaten gegeben hat, würden sich über Nacht in sichere Verluste verwandeln « , sagt Rürup. Die Folge wären weitere Steuererhöhungen in Deutschland – oder neue Schulden.
    Hilfreicher als der Süd-Euro oder die Rückkehr der Griechen zur Drachme wäre ein erneuter Schuldenerlass. Der ist, so wie die Dinge liegen, sowieso unvermeidlich. Griechenland hat sich gründlich verhoben. Und das übrige Europa half dabei kräftig mit. Ein Schuldenerlass würde nur die Tatsache anerkennen, die längst anerkannt gehört: Griechenland ist zahlungsunfähig.
    Die bisherige sogenannte Griechenland-Hilfe war und ist in Wahrheit eine Hilfe für die Banken, die das Geld, noch bevor es griechischen Boden berührt, in ihre Kassen schleusen. So kann die Illusion einer Schuldenbedienung durch die in Wahrheit zahlungsunfähige Regierung in Athen aufrechterhalten werden. Diese Hilfe dient der Halluzination, nicht der Heilung.
    Den griechischen Schuldenberg hat diese Art der Hilfe enorm vergrößert. Er betrug vor Ausbruch der Krise 262 Milliarden oder 112 Prozent der Wirtschaftskraft. In diesem Jahr werden die Schulden 346 Milliarden Euro oder 180 Prozent der Wirtschaftskraft ausmachen. Und das trotz des Schuldenschnitts, und obwohl in Athen eine Sparrunde die nächste jagt.
    Dass die griechische Bevölkerung das Gefühl nicht loswird, hier werde hinter ihrem Rücken ein anderes, größeres Spiel gespielt, sollten wir ihr nicht verdenken. Das Gefühl ist richtig. Derweil die eigenen Geldeliten ihre Schätze in London und anderswo in Sicherheit bringen, wird Griechenland mit jedem Tag, an dem die Rettungsaktion anhält, ärmer. So rettet man das Land zu Tode.
    Zum Erfolg wird ein Schuldenerlass allerdings nur dann führen, wenn gleichzeitig – wie einst in der DDR – private Investitionen angelockt werden. Die Kiste mit den Ködern ist reich gefüllt. Vom beschleunigten Genehmigungsverfahren über die Investitionszulage bis zu staatlich ausgewiesenen Sonderwirtschaftszonen reicht das Instrumentarium, das bereits in jenen Weltregionen, die früher Dritte Welt hießen und heute ehrfürchtig Emerging Markets genannt werden, seine Wirkung unter Beweis gestellt hat.
    Für die Finanzierung eines Aufbau-Süd-Programms sollte nicht erneut staatliches, sondern vor allem privates Geld mobilisiert werden. Eine fest verzinste Investitionsanleihe ließe sich problemlos in Europa platzieren. Die privaten Haushalte in Deutschland, Italien, Frankreich und anderswo sind potent genug, sie zu zeichnen. Die griechische Elite könnte ihren Patriotismus unter Beweis stellen und ihre Milliarden aus dem Ausland zurückholen, um sie in der darbenden

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