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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabor Steingart
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Kapitalbeschaffung in effizienten Finanzmärkten angewiesen.
    Ziel aller Reformen muss es daher sein, dem deutschen Finanzsektor das Exzesshafte auszutreiben und ihn aus der symbiotischen Beziehung zum Staat zu lösen. Die Banken sollen ihr Leben ändern, aber sie sollen es nicht verlieren.
    Warum wir die Vereinigten Staaten von Europa bauen sollten
    Die europäische Idee ist von allen Ideen, die dieser Kontinent in den letzten 100 Jahren hervorgebracht hat, die wertvollste. Die Verschuldungskrise ist trotz aller Dramatik von allen europäischen Verwerfungen der vergangenen 200 Jahre die harmloseste. Es gibt viele Gründe, mit dem heutigen Europa zu hadern, aber keinen einzigen, die europäische Idee im Ordner der gescheiterten Visionen abzuheften.
    Zuweilen hat man das Gefühl, manche unserer Zeitgenossen fürchten sich vor dem Falschen. Das Neue ängstigt sie, dabei bildet das Alte und der Gedanke, es könnte zurückkehren, die eigentliche Bedrohung. Das Europa der vielen verschiedenen Währungen, der unzähligen Interessen und Armeen, der mannigfaltigen Egoismen, in dem die Teile nie ein Ganzes ergaben, war für den Wohlstand der Völker keine gewinnbringende Veranstaltung. Auch deshalb wird dieses Europa jetzt transformiert. Wir tun das, damit wir nicht die Biografien unserer Eltern und Großeltern nachspielen müssen.
    Wer sich die Fähigkeit bewahrt hat, durch den Nebel der Tagespolitik hindurchzuschauen, kann an guten Tagen die Vereinigten Staaten von Europa bereits erkennen. In den Zeitungen steht zwar täglich das Wort » Krise « . Aber vielleicht ist das ein Übersetzungsfehler. Womöglich wäre es treffender, das Wort » Geburtsanzeige « an seine Stelle zu setzen.
    Geburtstage sind lustig, Geburten sind es nicht. Im Kreißsaal wird nach Kräften geschrien und gestöhnt, trotz moderner Medizin lauert hinter jedem Herzton das Risiko. Das Neugeborene landet meist blutverschmiert in den Armen der Eltern.
    Die Entstehung von Staaten und Staatenbünden verläuft nicht weniger archaisch. Zu besichtigen ist ein Vorgang, bei dem die Prozesse der Geschichte wirken, die sich politisch beeinflussen, aber nicht steuern lassen. So gesehen ist die Griechenland-Krise eine einzige große Presswehe. Die Portugal-Krise eine zweite Wehe, die Spanien-Krise eine dritte und so fort. Die europäische Vielvölkerfamilie ist Augenzeuge eines nicht ganz einfachen Geburtsaktes, bei dem das Kind mit den Füßen zuerst nach draußen drängt.
    Nun darf Optimismus kein anderes Wort für Naivität sein. Die europäische Idee ist im Kern keine romantische. Das Versprechen an die europäischen Völker war ein umfassendes. Im Zentrum standen drei große Worte: Wohlstand, Frieden und Freiheit.
    Der Frieden scheint garantiert, nur um die Erreichung der beiden anderen Ziele muss derzeit gebangt werden. Im politischen Raum hat man rund 500 Millionen Europäer zu Zuschauern gemacht. Alles kann man in unseren Breiten mittlerweile wählen, seine Brotsorte, seine Fluggesellschaft, seinen Ehepartner, den Bürgermeister und wer möchte, sogar sein Geschlecht. Nur bei der Besetzung des Brüsseler Hofstaates hat der mündige Bürger den Mund zu halten. Die 27 Kommissare und neuerdings auch die Verantwortlichen der diversen Rettungsschirme kommen so jungfräulich ins Amt wie das Jesuskind in die Maria. Hohe Staatsämter werden empfangen, aber nicht durch Wahlen vergeben. Nirgendwo ist man so weit von Europa weg wie in Brüssel. Es scheint, als seien mit den Staatsdefiziten auch die Demokratiedefizite noch gewachsen, die Ralf Dahrendorf schon vor Jahrzehnten moniert hat.
    Wir bewundern die Menschen, die sich in Ägypten gegen ihren scheinbar vom Schicksal entsandten Präsidenten Mubarak erhoben. Abend für Abend standen sie auf dem Tahrir-Platz, bis dieser Monolith von Machtmensch sich endlich in Richtung Ausgang bewegte. Unser Mubarak heißt José Manuel Barroso. Durch freie Wahlen kann man ihn nicht loswerden, was für ein Spitzenamt dieser Güteklasse ungebührlich ist. In Brüssel hat sich die europäische Obrigkeit ihren eigenen Staat geschaffen, der auch als Recyclinghof für abgehalfterte Minister, Parteichefs und Regionalfürsten gute Dienste leistet. Mit Demokratie hat diese Staatsform nicht viel gemein. Wenn Europa ein Staat wäre, würde man ihm derzeit die Aufnahme in die EU verweigern müssen, sagte kürzlich Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments.
    Eine Verlagerung von noch mehr Kompetenzen an den Brüsseler Hofstaat,

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