Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Heimat zu investieren.
Diese Investitionsanleihe würde einem Investitionsfonds, nennen wir ihn » Europe Invest 2030 « , zufließen, der seinerseits ein eigenes Management unterhielte. Industriekapitäne aller Länder, auch solche, die den aktiven Dienst bereits quittiert haben, könnten sich hier nützlich machen. Ihre Aufgabe wäre es, das Geld in profitable Geschäftsfelder zu leiten, bestehende Firmen zu unterstützen und neue Unternehmungen gegen eine Beteiligung zu finanzieren. » Europe Invest 2030 « würde nicht nur Geld, sondern auch industrielle Erfahrung und globale Netzwerke zur Verfügung stellen. Dem trostlosen Regime der Rettungsschirme wäre das Alleinstellungsmerkmal genommen. Im Süden Europas könnte wieder über Wachstum und Wohlstand gesprochen werden. » Hätten wir aus eigenem Antrieb Marshallhilfen organisiert, wären wir die Helden « , sagt Sinn.
George C. Marshall war jener bemerkenswerte US -Militär, der ein milliardenschweres Hilfsprogramm für Europa entwarf, das der Friedenssicherung durch ökonomischen Wiederaufbau diente. 125 Milliarden Euro flossen bis heute aus dem Fonds dieses Programms von den USA in Richtung Deutschland. Mit seiner nur zwölfminütigen Rede vom 5. Juni des Jahres 1947, gehalten an der Harvard-Universität, veränderte Marshall bis heute den Blick der Europäer auf die Siegermacht Amerika, die nun mit ausgestreckter Hand dem Kriegsbeginner und Kriegsverlierer Deutschland begegnete: » Die Vereinigten Staaten müssen alles, was in ihrer Macht steht, unternehmen, um zu der Rückkehr normaler wirtschaftlicher Verhältnisse beizutragen, denn ohne diese sind eine politische Stabilität und ein gesicherter Friede unmöglich. Unsere Politik richtet sich nicht gegen irgendein Land oder eine Anschauung, sondern gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos. Ihr Ziel ist die Wiederbelebung einer leistungsfähigen Weltwirtschaft, die das Entstehen politischer und sozialer Zustände, in denen freiheitliche Einrichtungen gedeihen können, ermöglichen soll. Jede Hilfe, die unsere Regierung in Zukunft gewähren mag, sollte Heilung und nicht bloß Linderung bringen. «
Auch Südeuropa braucht ein solches Aufbauwerk, das nicht bloß Linderung, sondern Heilung bringt. Aber dafür darf das Hilfsgeld nicht an Banken und in den Staatshaushalt fließen, sondern muss die Privatwirtschaft zur Investition und die Privathaushalte zur Mitfinanzierung anregen. Nur so lassen sich wettbewerbsfähige Strukturen aufbauen, wie es die Türkei, Irland, die ehemalige DDR und selbst die vor Kurzem noch im Steinzeit-Kommunismus lebenden Chinesen zu Wege gebracht haben. » Geldgeschenke erzeugen immer nur Lebensstandard unter Vernichtung von Wettbewerbsfähigkeit « , sagte jüngst ein griechischer Minister im Interview mit der » Frankfurter Allgemeinen Zeitung « .
Alle politischen Großvisionen, von der Aufnahme weiterer EU -Mitglieder bis zur Errichtung einer Wirtschaftsregierung und der Verabschiedung einer europäischen Verfassung, sollten für die Dauer dieser wirtschaftlichen Kraftanstrengung ruhen. Die Stabilisierung der vor den USA größten Wirtschaftsmacht der Welt – denn das ist das heutige Europa – ist keine Nebenbeschäftigung. Die Lehre aus der hastigen Beitrittspolitik kann nur lauten, das Tempo zu reduzieren. Gründlichkeit hat jetzt Vorrang vor Schnelligkeit. Man kann den Weg nach Europa auch verstolpern.
Das Wohlstandsversprechen der europäischen Gründungsväter lässt sich mit der Fortsetzung einer kreditfinanzierten Staatsfinanzierung ohnehin nicht erreichen. Die Symbiose von Banken und Staaten hat die Südeuropäer in den Schlamassel geführt; sie ist das Problem, nicht die Lösung. Sie muss begrenzt, nicht expandiert werden.
Eine die Menschen aktivierende Marktwirtschaft, so wie die Deutschen sie nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit den Amerikanern entwickelten, wäre die richtige Antwort auch für Südeuropa. Die neuen Amerikaner könnten die Deutschen sein. Aber wo hält sich unser General Marshall versteckt?
Die Wirtschaftswissenschaften müssen sich selbst neu denken
Um die Wirtschaftswissenschaften ist es nicht gut bestellt. Viele Weltökonomen haben heimlich den Beruf gewechselt. Von Wissenschaftler wurde auf Geschäftsmann umgesattelt. Die gelegentliche Lehrtätigkeit in Harvard, Stanford oder Columbia dient weniger der Forschung als der Camouflage.
Das Geschäftsmodell vieler Ökonomie-Professoren, nicht nur in Amerika, aber dort vor allem, beruht
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