Unsichtbar und trotzdem da!, 5, Spur der Erpresser (German Edition)
Augen. „Wirklich“, meinte er dann und betrachtete das seltsame Flugobjekt. „Das sieht tatsächlich aus wie ein Brief!“
„Luftpost!“, grinste Jenny. „Komm, mach schon auf! Mal sehen, wer dir da geschrieben hat.“
Ağan schüttelte entschieden den Kopf. „Das geht nicht, Jenny. Das dürfen wir nicht!“ Er drehte den Umschlag um, sodass Jenny und Addi die Vorderseite sehen konnten. „Dieser Brief ist nicht an mich adressiert, seht ihr? Ich darf ihn nicht öffnen, sonst würde ich das Briefgeheimnis verletzen.“
„Briefgeheimnis? Bei so ’nem durchgeweichten Lappen?“ Addi grunzte vergnügt.
„Aber ja!“, behauptete Ağan fest. „Das ist ein ganz normaler Brief. Er hat eine Briefmarke und eine Adresse vorne drauf. Nur der Absender ist leider zerlaufen, aber er steht immer noch da. Und deswegen unterliegt dieser Brief wie jeder Brief dem Briefgeheimnis. Yildiz hat mir mal erzählt, dass das sogar für Postkarten gilt. Nicht mal die Polizei darf einen Brief öffnen, sondern nur ein Richter.“
Yildiz war Ağans ältere Schwester und Streifenpolizistin. Die drei Freunde hatten ihr und ihrem Kollegen Knopik in den vergangenen Monaten zu einigem Ruhm verholfen. Denn Jenny, Addi und Ağan arbeiteten seit einer spektakulären Begegnung mit einem Drachen als Detektive in Berlin. Das durfte natürlich niemand wissen. Immer, wenn es darum ging, einen Fall zum Abschluss zu bringen, benötigten sie als Kinder die Hilfe der Polizei. Und die holten sie, indem sie Yildiz anriefen, ohne sich zu erkennen zu geben. Auf diese Weise hatte Yildiz schon mehrere Verbrecher festgenommen und wurde in der Presse als Star-Polizistin gefeiert, die über eine besonders feine Nase für die Untaten der Berliner Unterwelt zu verfügen schien.
Natürlich wusste Yildiz, dass in Wirklichkeit ihre anonymen Helfer dafür verantwortlich waren. Aber sicherheitshalber behielten sie und ihr Kollege Knopik dieses Geheimnis für sich. Sie wollten selbst herausfinden, wer ihnen da half, und auch, warum.
Das aber würde so schnell nicht geschehen.
Jenny, Addi und Ağan war vollkommen klar, dass die Erwachsenen, die sie kannten, niemals erfahren durften, dass sie geheime Ermittler waren und sich Unsichtbar-Affen nannten. Erwachsene waren einfach viel zu schnell der Meinung, dass es für Kinder zu gefährlich war, die gemeine, skrupellose und schlechte Seite der Erwachsenenwelt aufzudecken und dafür zu sorgen, dass sich da etwas änderte. Und deswegen mussten die Unsichtbar-Affen auch weiterhin für allzu neugierige Augen unsichtbar bleiben.
Addi sah Ağan auffordernd an. „Dann schmeiß den nassen Brief eben weg und lass uns jetzt endlich eine Currywurst essen. Ich will feiern!“ Schnell ging er weiter.
Ağan entgegnete erst mal nichts und eilte mit Jenny seinem launigen Freund hinterher. Nach einer Weile aber seufzte er tief. „Also, Addi. Du weißt doch, dass ich kein Schweinefleisch esse. Und deswegen nehme ich keine Currywurst, sondern Pommes. Und was den Brief angeht, habe ich auch einen anderen Vorschlag.“
„Und der wäre?“, wollte Jenny wissen.
Ağan lächelte. „Dass wir ihn zustellen.“
Addi prustete so heftig los, dass ihm dabei etwas Spucke aus dem Mundwinkel flog und im Nieselregen verschwand. „Du willst den Brief zustellen? Aber du hast doch eben noch gesagt, das heilige Briefgeheimnis gehe über alles!“
Die Unsichtbar-Affen hatten den Currywurststand erreicht. Eine junge Frau mit blonder Mähne, die an einem Stehtisch einen Zwiebelspieß verspeiste, während sie in ihrer freien Hand einen grauen Regenschirm balancierte, warf Addi einen missbilligenden Blick zu.
„Geht’s auch etwas leiser? Von deinem Gebrüll wird man ja taub!“
Empört sah Addi die Frau an. „Das ist ein wichtiges Thema, das wir hier besprechen. Es geht um Recht und Unrecht!“
Die Frau tat so, als habe sie nichts gehört, und schob sich einen weiteren Brocken Fleisch samt einer dicken Zwiebelscheibe in den Mund.
Addi stellte sich direkt vor sie. „Eben war es Ihnen noch zu laut und jetzt sind Sie taub? Ist auch alles in Ordnung?“
Die Frau wedelte mit ihrem Regenschirm. „Kein Mensch braucht aufdringliche und vorlaute Kinder.“
„Aha.“ Addi musterte das Gesicht der Blonden. „Hm“, machte er dann. „Ich glaube –“
Die Frau warf ihre Plastikgabel auf ihren soßenverschmierten Teller und schob diesen in die Tischmitte auf Addi zu. „Ist ja gut, Knabe“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Überanstreng dich
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