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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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Felix. «Bei der Menge Kuchen, die du verputzt hast.»
    Ich versetzte ihm einen Klaps mit dem Ruder, er lachte und zog ein GPS -Gerät hervor. «Ohne das enden wir hier als Wasserleiche oder werden Opfer von irgendeinem der Gruselwesen aus Onkel Peters Sagen!»
    «Du machst mir Mut! Sind da frische Batterien drin?»
    Er verdrehte nur die Augen und stieß das Kanu von dem Holzsteg ab, der zum Haus seiner Verwandten gehörte. Ich tat es ihm gleich und geriet in die Strömung des Hauptarmes.
    Das Wasser floss zwar nur sehr langsam, aber es reichte, um mein Kanu erst einmal quer zu stellen. Geduldig erklärte Felix mir, wie man halbwegs in der Bahn blieb. Nach ein paar eher mäßigen Versuchen steuerte ich das schmale, längliche Gefährt ohne große Probleme hinter ihm her.
    Er übernahm die Rolle seines Onkels, zeigte dieses, erklärte mir jenes. Ein Wildwechsel links, rechts eine Wasserschlange, die geschmeidig vom Ufer unter die Oberfläche glitt, mangrovenartige Pflanzen, Bäume, die sich weit über die Fließe neigten. Eine Libelle, größer als mein Handteller, setzte sich auf die Spitze des Kanus. Irgendwann schimmerte alles um uns herum nur noch grün. Die Wasserfläche, in der sich die Uferbewachsung spiegelte, verschwamm mit den Pflanzen ringsum. Die Sonne blinzelte durch die dichten Kronen der Laubbäume.
    Schon bald verließen wir die Hauptflüsse, auf denen wir immer wieder Touristenkähnen und Ruderbooten begegnet waren. Ein paarmal kreuzte ein Kanu, in dem ein Typ mit Baseballkappe saß, unseren Weg.
    «Der Kerl hat sich verirrt, ich schwöre es dir», lachte Felix.
    Er selbst warf dann und wann einen Blick auf das GPS . Nach einer knappen Stunde bog er in einen sehr schmalen Zufluss, der bald an einem völlig verrotteten Steg endete.
    Er steuerte sein Kanu mit Schwung durch das Schilf am Ufer, forderte mich auf, es genauso zu machen. Dann stieg er aus, zog sein Boot an Land und watete wieder tiefer ins Wasser, um mir zu helfen.
    «Ich mach das schon», wehrte ich mich, aber er schob mich mitsamt dem Kanu so weit, dass ich fast trockenen Fußes die kleine Lichtung betreten konnte, die sich vor uns öffnete.
    Felix kramte aus seinem Kanu eine Decke und eine Wasserflasche. Mit einer Hand fuhr er durch das Wasser und präsentierte mir einen bräunlichen, ekligen Wurm, der sich als hungriger Blutegel entpuppte.
    «Wenn du lange hier herumstehst, suchen sie sich ihre Mahlzeit an deinen hübschen Beinen», sagte er und warf das Vieh zurück ins Wasser.
    Ich konnte mir gerade noch ein Kreischen verkneifen.
    «Komm mit», forderte Felix mich auf.
    Er führte mich von der Lichtung weg. Über einen fast verfallenen hölzernen Steg gelangten wir nach einer brackigen Stelle auf eine etwas längere feste Landzunge. In der Mitte deutete sich ein Weg an, den die Pflanzen bereits überwucherten. Am Ende stand ein Schober, fast ein Hexenhäuschen, das nach einer Seite hin offen war. Die drei anderen Wände bestanden aus morschen Holzlatten, drinnen hielt ein Gitter einen Strohballen. Felix breitete die Decke aus.
    «Kleine Pause gefällig?» Er zog sein Shirt über den Kopf, streifte die Chucks ab, die immer noch nass von seinem Sprung ins Wasser waren; mit einem schmatzenden Geräusch lösten sie sich von seinen Füßen.
    «Marzipanfüßchen», seufzte ich.
    «Was?», fragte er.
    «Nichts, nichts», wehrte ich ab.
    Er legte sich mit aufgestützten Ellbogen auf die Decke. Ich setzte mich in die untere Ecke der grün und rot gestreiften Unterlage aus verfilzter Wolle und betrachtete ihn. Ich hätte ihn stundenlang anschauen können. Seinen fast gänzlich unbehaarten Oberkörper, nur unter dem Bauchnabel kräuselte sich ein dunkler Flaum, der Schweißfilm auf seiner hellen Haut glänzte in der Sonne, die flirrende Schatten auf seine Brust warf.
    Er verschränkte die Arme im Nacken, bettete den Kopf darauf, gab ein paar laute Seufzer von sich und schloss die Augen.
    Ein Knacken im Wald, irgendwo aus der Richtung, wo wir die Kanus gelassen hatten, schreckte mich auf.
    «Ist was?», fragte Felix.
    Es war eine Menge, aber im Moment machte mich nicht nur Felix nervös. Die Geräusche um uns, das Flimmern und Glitzern der Sonne zwischen den Ästen.
    «Ich dachte, da war was», sagte ich und bemühte mich, nicht wie ein dummes Huhn zu wirken.
    «Hier ist nichts. Nur du und ich. Es sieht uns keiner hier.»
    Entspann dich, Josie!, sagte ich mir und nickte. Ich streckte mich neben ihm aus und schmiegte meine Wange an seine Brust.

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