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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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todgeweihten Sohn zu führen? Geleiten Sie uns zu dem Gefangenen!« herrschte sie den Aufseher an.
    Der schritt ihnen voran zu dem Untergeschoß des Gebäudes. Im Hintergrund eines langen Ganges schloß der Aufseher eine Tür auf.
    Der Raum war von meterdicken Mauern umschlossen. Nur ein kleines Fenster in der Decke ließ spärliches Licht herein. Beim Öffnen der Tür hatte sich der Gefangene von seinem Lager aufgerichtet. Den linken Arm in der Binde, den Kopf mit blutigen Tüchern umhüllt, schaute er zum Eingang.
    Oswalds Mutter trat ein.
    »Mutter!«
    Der Gefangene war aufgesprungen. Ein lauter Schrei aus dem Munde der Mutter - dann schlossen sich ihre Arme umeinander. Lange standen sie so. Dann machte sich Oswald frei, drückte sein Gesicht an das der Mutter, küßte ihre tränenüberströmten Wangen, sprach zu ihr.
    Und nun klang langsam, stockend auch die Stimme der Mutter. Jetzt machte sie ihre Rechte frei, deutete zur Tür, rief: »Oh, kommen Sie doch zu uns, daß wir Ihnen danken!«
    Eine Weile noch zögerte Edna. Erst als auch Oswald nach der unbekannten, gütevollen Helferin rief, überschritt sie die Schwelle. Trat, die eine Hand vor die Augen gepreßt, vor ihn hin - fühlte wie im Traum, daß eine Männerhand die ihre ergriff und innig drückte.
    Da, unfähig, ihre Beherrschung länger zu bewahren, ließ sie die andere Hand sinken ...
    Nur das eine Wort »Edna« hörte sie noch. Dann lag sie in seinen Armen.
    Von Juan Avilla, dem alten Administrator, begleitet, kehrte Maria Anunziata von einem Ritt durch die Felder nach La Venta zurück.
    »Kommen Sie mit mir, Señor Avilla! Vielleicht, daß das Radio uns neue Nachrichten gebracht hat. Schon tagelang keine Mitteilung von Edna - von Robert ganz zu schweigen!«
    Am Arm des Verwalters betrat sie das Stationszimmer. Ihr Begleiter schüttelte traurig den Kopf. »Keine Radionachricht - auch kein Brief, Dona Maria! ... Man hat uns wohl völlig vergessen hier!«
    Maria ging in ihr Zimmer. Mißmutig warf sie sich auf ein Sofa. Vergessen? ... Ja! Sie, die Blinde, und der alte Villa waren unnütz! Nirgends zu gebrauchen.
    Laut aufschluchzend schlug sie die Hände vors Gesicht - und die Tränen erleichterten ihr Herz.
    Ihre Lider schlossen sich. Und ihre Sinne suchten die Bilder ihrer Lieben vor ihr geistiges Auge zu bannen. Robert - Edna - Mit ganzer Seele umfing sie die Gestalten, wie die Erinnerung sie ihr vorspiegelte. Die anderen Vertrauten - nie hatte ihr sehendes Auge sie erblickt -: Droste, Barradas, Calleja und die übrigen Freunde.
    Doch nein! Den einen hatten ihre Augen gesehen: den alten grauen Mann, der damals auf der Insel zu ihr gekommen war. Kaum eine Stunde seit jenem Tage, wo sie nicht an dieses Erlebnis sich erinnerte.
    Was war damals mit ihr, mit ihren Augen geschehen? Jene unverständlichen Worte des Alten: »Tote Augen einer Blinden sehen, was allen Sterblichen verhüllt«, wollten ihr nicht aus dem Kopf. Und erst recht nicht die anderen: »Der Tag wird kommen, wo deine jetzt toten Augen wieder lebendig alle Schönheit der Welt genießen!«
    Inbrünstig hatte sie sich an diese Verheißung geklammert. Hatte jeden Morgen, den Gott werden ließ, in bangem Erwachen begrüßt. Aber jede neue Sonne brachte neue Enttäuschung.
    Sie rang verzweifelt die Hände. »Wüßte ich nicht, daß du doch unser Freund, so möchte ich dich verwünschen, du alter grauer Mann. Wie an eine göttliche Botschaft glaubte ich an deine Verkündung. Aber niemals wohl werde ich das Augenlicht wiedergewinnen!«
    Tränen liefern über ihr Gesicht. Da zuckte sie zusammen: Eine Stimme klang an ihr Ohr. Sie schlug die Augen auf. Der Freudenruf, den sie ausstoßen wollte, erstarb ...
    »Der alte graue Mann - ja, er ist hier! Du siehst recht, Maria! Doch die Zeit ist nahe, wo du auch anders sehen wirst - sehen mit lebendigen Augen! Denn deine Augen sind nicht tot. Leid und Kummer nur verdunkelten ihren Spiegel. Freude und Glück deiner Zukunft werden sie wieder erhellen!«
    Marias Hände umklammerten die des Fremden. Ein Strom von Kraft und Zuversicht überflutete sie. Sie sank zurück, schlummerte ein.
    Ein Kraftwagen aus San Fernando hielt vor dem Tor von La Venta. Wildrake stieg aus, eilte ins Haus. Riß die Tür zu Marias Zimmer auf, rief jubelnd in den halbdunklen Raum: »Der Sieg ist unser, Maria! Der Feind bietet Waffenstillstand an!«
    Die Worte des Geliebten trafen Maria, aus tiefem Schlaf aufgeschreckt, so unvermittelt, daß sie einen bangen Schrei ausstieß. Ihr

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