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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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vielleicht gar nicht so verkehrt ist «, sagte Santos. » Andererseits müssen wir auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es sich bei dem Gesuchten um einen Kollegen handelt. Was ich aber nicht hoffe, der Imageschaden wäre auf Jahre hinaus nicht wiedergutzumachen . Allerdings fallen mir da auch wieder die Aussagen von Melanies Mitschülerinnen ein, die einen Mann in Uniform gesehen haben wollen. «
    Henning schüttelte energisch den Kopf. » Es ist keiner von uns, es kann keiner von uns sein, denn damit hätte er die Schlinge selbst um sich gelegt, er hätte quasi Selbstmord begangen. Außerdem wäre es ein Leichtes, die Alibis aller Polizeibeamten in Schleswig-Holstein für die Tatzeiten der Morde an Miriam Hansen und Melanie Schöffer zu überprüfen. So dumm ist er nicht. Er ist viel cleverer. Mit Sicherheit weiß er aber auch von unseren verschärften Verkehrskontrollen und umschifft sie elegant. «
    » Braucht er doch nicht, wir haben ja keinen Schimmer, wie er aussieht. Er ist Mister Normalo «, sagte Santos lapidar .
    Henning räusperte sich, legte alles auf den Tisch und stand auf. » Kommen wir auf das Schreiben zurück. Gestern hat er sich recht kurz gefasst, heute kriegen wir schon fast einen ganzen Brief. Er öffnet sich allmählich, ohne jedoch auch nur da s G eringste von sich preiszugeben. Jan, wie weit bist du mit dem Profil? «
    Friedrichsen hatte das Schreiben genommen und las es noch einmal in Ruhe durch, ohne die Frage zu beantworten .
    » Was und wie antworten wir ihm? «, fragte er. » Er hat den Brief diesmal in Eckernförde aufgegeben. Das heißt, er stammt tatsächlich aus dieser Gegend. «
    » Hast du daran etwa gezweifelt? «, fragte Henning. » Noch mal, wie weit bist du mit dem Profil? «
    » Noch nicht sehr weit. Er ist schwer zu greifen, wenn du verstehst. Aber ein bisschen was hab ich schon rausgefunden, denn sein markantestes Zeichen ist ja wohl diese fötale Lage der Opfer. « Er holte eine dünne Mappe aus seinem Koffer und schlug sie auf. » Also, er scheint seit seiner frühesten Kindheit traumatisiert zu sein. Unbewusst äußert er den Wunsch, wieder in den Mutterleib zurückzukehren, um noch einmal komplett von vorne anfangen zu können. Andererseits haben wir die nur bei den weiblichen Opfern ausgestochenen Augen, was ein Indiz dafür ist, dass er erhebliche Probleme mit Frauen hat. Es könnte sein, dass er es in der Vergangenheit mit Frauen zu tun hatte, die ihn dominiert haben oder es noch tun und deren Blick er nicht ertragen kann. Aber das ist eine Hypothese, und ich werde mich hüten, sie als gesichert hinzustellen. Wenn ich nun diese beiden Punkte verbinde, den Wunsch nach dem Mutterleib und die ausgestochenen Augen, so bleibt für mich nur der Schluss, dass er diese Welt als etwas Grausames empfindet und schon seit er denken kann mit einem unbeschreiblichen Zorn herumläuft. Ich gehe davon aus, dass er diesen Zorn als Kind und auch in seiner frühen Jugend anderweitig abreagiert hat, indem er unter anderem Tiere gequält oder getötet hat … «
    » Wie kommst du darauf? «, wollte Henning wissen .
    » Weil es bei Serientätern ein Muster gibt, das meist bis in di e f rüheste Kindheit zurückreicht. Die überwiegende Zahl der Serientäter gibt an, dass sie schon sehr früh Gewaltphantasien hatten, ohne zu wissen, woher diese stammten. Welches Kind weiß schon, warum es zornig ist? Es ist einfach ein Zustand, und wenn niemand da ist, der diesen Zorn erkennt und auffängt, dann entwickelt der Zorn eine Eigendynamik und kann nicht mehr kontrolliert werden. Bei unserm Mann scheint genau das der Fall zu sein. Im Mutterleib war vielleicht noch alles in Ordnung, da fühlte er sich vielleicht noch sicher und geborgen, worauf ich aber im Folgenden noch einmal zurü ckk ommen werde. Doch in dem Moment, in dem er das Licht der Welt erblickte, wurde er erdrückt. Das mögen äußere Umstände gewesen sein wie etwa eine übermächtige Mutter, die von Anfang an alles bestimmt hat und ihm keinen Freiraum gelassen hat, es können aber auch noch weitere Faktoren hinzugekommen sein, die diese Übermacht noch potenzierten. Um das zu veranschaulichen: Jedes Kind durchläuft mehrere Entwicklungsphasen, die ich jetzt nicht alle aufführen will, aber wenn diese Phasen nicht erlebt und auch nicht ausgelebt werden dürfen, hat dieses Kind ein echtes Problem .
    Wohin mit dem Drang, Neues zu entdecken, wenn dieser Drang von außen nicht zugelassen oder unterdrückt wird? Nehmen wir ein

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