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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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jetzt in der Küche und unterhalten sich über Sie. Meine Frau will immer alles ganz genau wissen. Sie verstehen, Frauen. Ich habe gestern schon gemerkt, dass zwischen Ihnen und Lisa mehr ist, als nur der Beruf. Ich kenne die Menschen, die wenigsten können sich verstellen. Behandeln Sie sie gut, sie hat es verdient. «
    » Ich werde mir Mühe geben. «
    Nach einer Viertelstunde kamen Lisa und ihre Mutter zurück .
    Lisa sagte: » Fahren wir zu Carmen. Mama, Papa, wir melden uns, wenn wir angekommen sind. Und noch mal danke. «
    Auf der kurzen Fahrt zum Pflegeheim meinte Henning: » Du hast wirklich großartige Eltern. Da kann man richtig neidisch werden. «
    » Irgendjemand hat mal gesagt, dass wir uns im Himmel unsere Eltern ausgesucht haben. Keine Ahnung, ob da was dran ist, aber ich bin ganz zufrieden. «
    C armen saß wie jeden Tag am Fenster und schaute hinaus, wo es nicht viel zu sehen gab. Der Himmel war wie seit Tagen schon ein großes tristes Grau, gegen das die Sonne noch immer machtlos war .
    Lisa zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihr e S chwester. Wie immer streichelte sie ihre Wangen und ihre Hände und sagte schließlich: » Carmen, ich muss dir was erzählen. Sören und ich fahren für vier Wochen nach Spanien, du kennst ja noch das Haus. Wir müssen einfach mal abschalten. Gestern war ein schlimmer Tag, ich glaube, es war mit einer der schlimmsten Tage in meinem Leben. Weißt du, zum ersten Mal hatte ich Todesangst, und ich konnte mir auch zum ersten Mal vorstellen, wie du dich damals gefühlt haben musst, als diese Männer über dich hergefallen sind. Ich hatte Angst, entweder zu sterben oder auch im Rollstuhl zu enden .
    Aber ich dachte mir, das darf ich nicht zulassen, ich habe doch eine Schwester, die mich braucht. Und da hab ich meinen ganzen Mut zusammengenommen. Kannst du das verstehen? … Natürlich verstehst du ’ s, du kannst es mir nur nicht sagen . Papa und Mama werden dich jetzt öfter besuchen, solange ich weg bin. Ich werde aber an dich denken. Ich hab dich lieb. Und denk auch mal an mich. Tschüs und hasta luego.«
    Lisa gab Carmen einen Kuss auf die Stirn und verließ mit Henning das Heim. Sie fuhren zurück nach Kiel, packten ihre Koffer und machten sich am nächsten Tag auf die Reise. Vier Wochen, in denen sie nichts wollten als nur abzuschalten .
    Und sich vielleicht noch näher kennen zu lernen. Und vielleicht Zukunftspläne zu schmieden …

 
     

     
    FREITAG, 3. DEZEMBER 1999
     
    I n der kalten und stürmischen Nacht vom 2. auf den 3. Dezember packte Sabine Körner heimlich ihre Reisetasche und den Rucksack mit den nötigsten Sachen, wartete bis ein Uhr und schlich sich, als sie sicher war, dass die andern schliefen, klammheimlich aus dem Haus. Sie nahm nicht den Vordereingang, wo die automatische Beleuchtung angehen würde, sobald sie über die Schwelle trat und damit in den Bereich des Sensors gelangte, sondern ging durch die Terrassentür, die sie nur anlehnte. Es wird schon nicht ausgerechnet heute jemand einbrechen, dachte sie für einen kurzen Moment, auch wenn es ihr im Grunde nicht viel ausgemacht hätte. Nicht nach diesen Wochen und Monaten und schon gar nicht nach diesem Tag. Sie wollte nur noch weg, an einen Ort, wo sie hoffentlich keiner finden würde. Sie hatte mit einer Bekannten in Flensburg telefoniert, von der in ihrer Familie keiner etwas wusste, weil sie sich übers Internet in einem Chatroom kennen gelernt hatten. Christiane war zwar schon Mitte zwanzig, aber sie hatte eine eigene Wohnung, wo Sabine so lange bleiben konnte, wie sie wollte. Das hatte Christiane jedenfalls bei einem Treffen vor ein paar Tagen gesagt, als sie sich in Hannover aufhielt und dabei einen Abstecher nach Kleinburgwedel machte. Sie könne jederzeit kommen, hatte sie gesagt. Christiane kannte Sabines Probleme, den ewigen Streit mit den Eltern, vor allem mit dem Vater, der seit einigen Jahren an der Flasche hing und seine Familie nur noch tyrannisierte. Sabine wunderte sich, dass er bei seinem Alkoholkonsum überhaupt noch arbeiten konnte, aber es schien nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Job verlor. Das Schlimmste jedoch war, dass er i n l etzter Zeit auch noch gewalttätig geworden war, sowohl ihr als auch ihrer Mutter gegenüber, nur ihren Bruder Thomas verschonte er.
    Aber auch ihre Mutter hatte sich verändert, war längst nicht mehr so zugänglich und offen wie früher. Sie schottete sich von der Außenwelt ab und tat so, als wäre zu Hause alles in bester

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