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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Ordnung, wobei sie es sehr gut verstand, ihr hin und wieder blau geschlagenes Auge durch eine dunkle Sonnenbrille und mit viel Make-up zu kaschieren. Wenn sie geschlagen wurde, ließ sie es einfach über sich ergehen, als hätte sie es nicht anders verdient. Was ihren Vater so verändert hatte, wusste Sabine nicht, und sie wollte es auch gar nicht wissen .
    Ihre schulischen Leistungen hatten rapide nachgelassen, und wenn es so weitergegangen wäre, hätte sie dieses Schuljahr wiederholen müssen.
    Das Fass zum Überlaufen hatte jedoch ein Vorfall gestern gebracht, als ihr Vater, wieder einmal betrunken, ohne ersichtlichen Grund fast alle Teller aus dem Küchenschrank gerissen hatte, während sie mit ihm allein zu Hause war. Anschließend wollte er Sabine verprügeln, doch sie schloss sich in ihrem Zimmer ein. Daraufhin hämmerte er gegen die Tür, und sie hoffte angsterfüllt, dass die Tür halten würde. Nach zehn endlosen Minuten gab er auf, und nach weiteren zehn Minuten wagte sie sich aus ihrem Zimmer und hörte ihn laut schnarchen.
    Sabine war einsfünfundsechzig groß, hatte kurzes blondes Haar, das ihrem Gesicht einen lebendigen Ausdruck verlieh .
    Sie war hübsch, auch wenn sie behauptete, in ihrer Klasse seien die meisten Mädchen viel hübscher, aber die Jungs verdrehten sich immer wieder die Köpfe nach ihr, und auch einige Mädchen waren neidisch auf ihre natürliche Schönheit .
    Eine Natürlichkeit und auch eine Offenheit, die einfach anziehend auf andere wirkte. Allerdings hatten ihre strahlen d b lauen Augen in letzter Zeit immer häufiger einen melancho lischen Ausdruck, denn ihr Freund Kevin, mit dem sie fast zwei Jahre zusammen gewesen war und der ihr Halt gegeben hatte, war mit seinen Eltern nach Spanien gezogen, und nun gab es niemanden mehr, mit dem sie über ihre Probleme sprechen konnte. Sie hatten nur noch ein paarmal telefoniert, bis der Kontakt endgültig abbrach.
    Als sie über die Terrasse lief, prasselte der Regen, getrieben von einem böigen Wind, gegen ihre Jacke. Sabine hatte die Kapuze ihrer Wetterjacke aufgesetzt und hielt den Kopf gesenkt, um dem Regen weniger Angriffsfläche zu bieten, aber es half nur notdürftig. Im Nu war sie durchnässt bis auf die Haut, vor allem ihre Beine und Füße, die nur durch eine Jeans und ein paar Turnschuhe geschützt waren. Aber sie hatte noch vor einer Stunde mit Christiane gechattet und ihr versprochen, spätestens am Freitagnachmittag bei ihr zu sein. Nach diesem letzten Chat hatte sie alles gelöscht, was auf ihren künftigen Aufenthaltsort hinwies. Sie lief eine Viertelstunde, bis sie an die Hauptstraße gelangte, wo auch jetzt noch reger Verkehr herrschte. Sabine streckte den Arm aus und hielt den Daumen hoch, bis nach etwa zehn Minuten ein Trucker anhielt und sie einsteigen ließ.
    » Wo soll ’ s hingehen? «, fragte er .
    » Flensburg. «
    » Ich kann dich bis Neumünster mitnehmen. «
    » Okay. «
    Er war ein wortkarger Mann, der keine Fragen stellte. Sie fuhren gut drei Stunden, bis er sie an der Raststätte Brokenlande absetzte. In der Fahrerkabine war es warm gewesen, doch sie fror, als sie ausstieg, denn ihre Kleidung war noch nicht ganz trocken. Aber das machte ihr nichts aus, viel wichtiger war, dass sie ein neues Leben beginnen würde. Sie nahm ihre Tasche und den Rucksack und bewegte sich auf das Restaurant mit den großen gelben Lettern zu. Auf dem Parkplatz standen zahllose Trucks, im Innern der Raststätte herrschte reger Betrieb .
    Sabine hatte sich im Laufe der vergangenen Monate fast siebenhundert Mark zusammengespart, zu wenig, um über einen längeren Zeitraum damit auszukommen. Sie hoffte jedoch, in Flensburg eine Stelle zu finden, auch wenn sie gerade erst siebzehn war und Arbeitsstellen, wie Christiane ihr gesagt hatte, in Norddeutschland rar waren. Aber sie würde es schaffen, da war sie sicher, und wenn Christiane Wort hielt, würde sie ihr auch bei der Jobsuche helfen.
    Sabine betrat die Raststätte, überlegte einen Moment, ob sie es sich leisten konnte, und holte sich schließlich einen Kaffee und ein belegtes Brötchen. Sie betrachtete die Menschen um sich herum, aber sie traute sich nicht, auch nur einen von ihnen anzusprechen. Sie wollte sich noch einen Moment hier aufhalten und wärmen und dann wieder an den Parkplatz stellen, in der Hoffnung, jemand würde sie bis nach Flensburg mitnehmen.
    Um halb sechs verließ sie die Raststätte. Es hatte aufgehört zu regnen, dafür blies ein stürmischer Wind über die

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