Unsortiertes
ist die Lage?“ Er hatte mich doch
erkannt.
„Danke der Nachfrage, kann mich vor Arbeit kaum retten. Habe gerade
eine Insolvenzverwaltung übernommen, geht um 700 Arbeitsplätze, aber deshalb
rufe ich nicht an, du alter Zahlenverdreher! Habe heute deinen Brief erhalten
und wollte mich für die Einladung bedanken. Ich komme gerne.“
„Freut mich! Kannst ja auch jemanden mitbringen, Platz ist ja genug.“
„Das weiß ich, aber da ist leider keiner, den ich mitbringen könnte.
Wen sollte ich auch mitnehmen? Ich komme ja vor lauter Arbeit noch nicht einmal
zum Geldausgeben. Wie soll ich da einen Mann kennen lernen?“
„Du tust mir richtig leid!“ Was sollte der Sarkasmus in seiner Stimme?
„Lass deine Ironie, du Steuerhinterzieher!“
Er lachte. „Ist bis jetzt noch nicht aufgefallen.“
„Dann ist ja gut. Aber sag mal, wer war denn das gerade am Telefon?“
Neugierig war ich ja schon. Er erzählte mir in groben Zügen, wie er und
Johannes, so hieß der Knabe, sich kennen gelernt hatten. Jost hatte sich in
einen Spanner verliebt! Ich war perplex, aber freute mich zeitgleich für ihn.
„Tja, und dann kam er mit seiner Schultasche nach zehn Minuten wieder. Seitdem
wohnt er mehr oder minder bei mir. Ich bin einfach nur glücklich.“
„Kann ich mir lebhaft vorstellen. Ich wünsch dir und euch alles Glück
dieser Welt, auch wenn der Altersunterschied ja nicht gerade klein ist.“
„Danke dir, mein Lieber. Und ich bin mir sicher, zu deinem Topf gibt es
auch einen passenden Deckel. Vielleicht triffst du ihn ja heute Abend schon!“
„Glaube ich eher nicht! Ich muss auf die Silberhochzeit eines Kollegen
und da jemanden zu finden? Fast unmöglich, ist ja auch mehr oder minder
Pflichttermin.“ Große Lust hatte ich sowieso nicht.
„Na ja, vielleicht dann Sonntag. Lass den Kopf nicht hängen!“
„Sagst du so einfach! Aber trotzdem Danke.“ Wir quatschten noch eine
ganze Weile, bis dieser Johannes ihn zum Essen rief.
Der Abend verlief ziemlich steif und formell, einziger Lichtblick war
ein gutaussehender Kellner, ich schätzte ihn auf Anfang 20, der mich mehr oder
minder eindeutig taxierte. Aber anstatt die Gelegenheit beim Schopfe zu
ergreifen und dem dunkelhaarigen Tablettschwinger auf der Toilette das Ave
Maria auf der Flöte zu pfeifen, beließ ich es bei der nonverbalen Art der
Kommunikation, ich war schließlich als offizieller Vertreter der Firma auf der
ansonsten eher langweiligen Feierlichkeit und nicht als Freibeuter auf
Männerfang.
Als ich, wieder daheim, die Taschen des Smokings leerte, fand ich eine
Visitenkarte. Nur Name und Telefonnummer. Aber was sollte dieser Zusatz? Der
Mann für besondere Stunden? Besserte er sich sein Salär durch Escort-Dienste
auf? Hatte ich das nötig?
Als ich aufstand, waren meine Gedanken so trübe wie der Himmel vor
meinem Schlafzimmerfenster. Es würde wohl bald regnen, dachte ich bei mir, so
grau und trist wirkte die Silhouette der Ruhrgebietsmetropole, auf die ich aus
meinem Penthaus blickte. Alles Grau in Grau!
Aber was sollte ich Trübsal blasen? Ich entschied mich für das
Naheliegenste: Ein gutes, ausgiebiges Frühstück! Zwar kehrten bei Kaffee,
Orangensaft, aufgebackenen Brötchen, Rührei mit gebratenem Schinken und einer
Flasche Sekt allmählich meine Lebensgeister wieder in meinen Körper zurück,
aber diese durchaus lukullischen Genüsse befriedigen leider nicht meine
sonstigen Sehnsüchte! Ich sehnte mich einfach nach einer festen Bindung, einem
Gesprächspartner, einem Ruhepol, einem Freund.
Was hatte Jost gemeint? Ich würde schon den richtigen Mann in meinem
Leben finden? Er hatte ja gut Reden, er hat ja sein passendes Gegenstück
bereits gefunden. Aber wie lange hatte er danach gesucht? Fünf oder sechs
Jahre? Aber auch wenn ich den Mr. Perfect heute nicht finden würde, ich wollte
doch wenigstens meinen Spaß haben! Es war ja Sonntag, also würde im Blizzard in
Gelsenkirchen so einiges los sein. Das Blizzard ist eine kleine, aber feine
Fetischkneipe, nicht so bekannt wie ihre Pendants in Köln, Hamburg oder Berlin,
aber ein guter Ort, um seine heftigeren Vorlieben auszuleben. Ich besuchte es
regelmäßig, mindestens einmal pro Monat.
Ich überlegte kurz, der dritte Sonntag im Monat war der Farbe Gelb gewidmet
und ich liebe einfach den Austausch von selbstproduzierten Sekt, ich bin nun
einmal Liebhaber dieses Saftes. Ich entschied mich für die
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