Unsterblich geliebt
Lass meine Frau gefälligst ausreden!“ Er ahnte, welche Erinnerungen in Sarah wachgerufen wurden. Noch ein blödes Wort von Quint und er würde über den Tisch springen.
„ Gib uns einfach eine Zusammenfassung, Sarah“, meinte Agnus beschwichtigend.
„ Natürlich, Entschuldigung. Die Frau heißt Lara O’Brian. Sie schreibt, dass sie unter einem inoperablen Hirntumor leidet und im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten ihr Leben selbst beenden will, bevor…“
Die Stimme von Sarah versagte. Tränen liefen aus ihren blassblauen Augen und jeder im Raum wusste, warum. Selbst er konnte ihre Vergangenheit nicht ungeschehen machen, zog sie einfach nur liebevoll an sich und streichelte tröstend ihre Hand. Alles an ihr war so zart, ihre blass-rosa Lippen zitterten. Elia konnte die irrationale Angst nicht abschütteln, sie würde gleich zerbrechen.
Im Raum war es totenstill geworden.
Genau wie er wussten auch alle anderen im Raum von Sarahs eigenem Brief, mit dem sie das Tribunal um ihren Tod ersucht hatte. An diesem Tag, vor einigen hundert Jahren, hatte er, der Schreiber des Tribunals, sie kennengelernt.
Lucius, ein junger, aber mächtiger Vampir, hatte Sarah nach anfänglicher Verliebtheit zur Heirat gezwungen und hielt sie anschließend wie eine Gefangene. In immer neuen Versuchen, die völlig verängstigte Sarah, zur Liebe zu zwingen, quälte er sie und nahm ihr sogar jede Möglichkeit, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen.
Er hätte diesen Lucius am liebsten eigenhändig umgebracht. Aber er war ja nur der Schreiber, von kleinerer Gestalt und im Schwertkampf chancenlos gegen einen wie ihn. Am Ende tötete William, Quints Vater, diesen Vampir im Zweikampf, weil er seine Gefährtin und Quints spätere Mutter, angegriffen hatte. Sarah wurde dadurch aus ihrer furchtbaren Lage befreit, aber diese leidvolle Zeit hatte Narben bei ihr hinterlassen - von der Sorte, die man nicht sehen kann.
Seine Sarah hatte sich wieder gefasst und fuhr trotz ihrer stillen Tränen fort.
„ Auf diesem Briefpapier steht übrigens auch ihr Künstlername: Lara Livingstone.“
Arabella, die neben Sarah saß, meinte überrascht: “Die Lara Livingstone? Die Autorin? Die ist ziemlich bekannt. Ich habe zwei ihrer historischen Romane gelesen. Den, der in der Rokoko-Epoche handelt und ihren neuesten über die Ritterzeit …“
Agnus stöhnte und hob beschwichtigend seine Hand.
“ Bitte nicht jetzt, wir verschieben die Autogrammstunde und kehren zu den wichtigen Tatsachen zurück. Fährst du bitte fort, Sarah? Was wissen wir noch? "
„ Sie macht in dem Brief Angaben über ihr Testament und gibt die Adresse eines Anwalts an. Hier steht auch, dass sie eine E-Mail über ihr Ableben verfasst hat, die er automatisch nach einer Woche bekommen wird. Sie hat sogar notiert, wo sie den Jeep bei der Eisenbahnbrücke abgestellt hat und wo der Schlüssel ist. Und in ihrer Wohnung liegen Briefe für alle Freunde und einen Verleger, die als Kopie ebenfalls per E-Mail gesendet werden. Ihre Anschrift und E-Mail Adresse stehen hier im Briefkopf.“
Mit zitternden Händen übergab Sarah den Brief an Agnus.
Der überflog ihn nur flüchtig und schob ihn dann mit Schwung zu ihm. „Elia, kannst du das checken und diese E-Mails aufhalten?“
„ Mit Vergnügen, wie immer.“
Er musste grinsen, denn er hackte sich in alles, was sich ihm in den Weg stellte - eigentlich schon mehr Spaß, denn Herausforderung. Und als Agnus einmal anerkennend meinte, das Internet sei das Schlachtfeld, auf dem er für die Wächter kämpft, kam ihm das wie ein Ritterschlag vor, denn bis dahin war er immer nur der Schreiber gewesen.
„ Anscheinend war sich die Frau selbst nicht sicher, ob sie sterben will“, sagte Agnus nebenbei und er spürte den Ruck, der durch Sarah ging, so als wäre sie wegen diesem Kommentar beinahe vom Stuhl gesprungen.
„ Nein! Diese Lara war entschlossen sich umzubringen und ist auf Nummer Sicher gegangen, glaub mir!“
Er strich beruhigend über ihre Schulter. „Schon gut Sarah, Agnus hat diese Brücke nicht gesehen, sonst wäre ihm das klar.“
Sein Chef blickte zu seiner Frau und deutete mit dem Kopf eine Verbeugung an. Sie kannten sich schon so lange, dass Sarah diese wortlose, aber aufrichtige Entschuldigung wahrnahm und mit einem Kopfnicken akzeptierte.
Die stille Geste war vorbei und Agnus ging wieder zur Routine über: „Elia, denk daran, keine Spur darf zu uns führen! Kümmer‘ dich darum. Rose und Ara, da draußen heller
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