Unsterblich geliebt
damals tot neben dessen bewusstloser Freundin. Sie war eine ganz normale Frau ohne die Blüte der Ewigkeit; eine, die nie in ihre Welt gehören würde. Aus Quints Sicht hatte diese Frau ihm seinen Bruder geraubt, war für seinen Tod verantwortlich. Denn die Freundin hatte überlebt, weil Samuel sie bis zu seinem letzten Atemzug gegen drei blutgierige Vampire verteidigt hatte. Seit diesem Tag waren fast zwei Jahrzehnte vergangen. Er hatte erlebt, wie Quint sich von da an zurückgezogen hatte und mit den Menschen draußen, vor allem mit Frauen, nichts mehr zu tun haben wollte, gelinde ausgedrückt.
Agnus sah zu, wie sich seine Frau mit den anderen auf den Weg in die hauseigene Krankenstation machte.
Was soll‘s, dachte er, ich werde einfach mal selbst alle für die Besprechung zusammen trommeln.
Er war froh, dass Elia, der geniale Computerspezialist im Hauptquartier und seit Jahrhunderten sein Schreiber, ihm sonst den meisten Papierkram und Organisationszirkus vom Leib hielt. Der Rest reichte ihm immer noch voll und ganz. Wenn es einen Grund gab, seinem Schreibtisch den Rücken zu kehren, umso besser, schließlich war er zum Kämpfen geboren und zum Anführer der Wächter bestimmt worden.
Auf dem Rückweg zu den Wohnquartieren und zum Trainingsraum durchquerte Agnus die riesige, unterirdische Garage, die eigentlich eher einem kleinen Parkhaus glich. Kopfschüttelnd sah er zu, wie Arabella, die alle nur Ara nannten, gerade den schwarzen SUV mit quietschenden Reifen herein fuhr.
Ben, mehr Künstler, als Wächter, hatte den Wagen auf ihren Wusch hin mit Airbrush verschönert.
Für ihn sah das Ding mit seinem Flammenmuster jetzt aus wie ein Hotwheels-Auto aus der Spielzeugkiste.
Ara, dieses superschlanke Ex-Model, sprang mit einem „Jeehaa!“ aus der Fahrerseite. Sie trug noch so ein Gurtzeug zum Sichern um Hüfte und Schultern. Als Ambi, mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, von hinten aus dem vor dem Sonnenlicht geschützten Teil des Wagens kletterte, lief sie auf ihn zu: „Gib mir Fünf, Ambi! Das war das Abgefahrenste, was ich je erlebt habe!“ Beide klatschten die rechte Hand aufeinander.
Wieder schüttelte Agnus den Kopf und kam auf die zwei zu. Ara sprühte vor Leben und bei ihrem Anblick musste er immer an Pipi Langstrumpf denken. Ihr ständig wechselndes Aussehen passte zu ihrem quirligen Auftreten. Im Moment trug sie ihr eigentlich blondes Haar hinten zu zwei kurzen Zöpfen geflochten - dunkelviolett mit schwarzen Strähnen, oder schwarz mit lila Strähnen? Wer konnte das schon sagen!
„ Hallo Agnus, warum das Regenwettergesicht?“
„ John kam gerade mehr tot als lebendig zurück. In einer Stunde ist Krisensitzung. Bitte sag Vinz Bescheid.“
Ihre übergroße, rosa Kaugummiblase zerplatzte mitten auf ihrem bestürzten Gesicht.
„ Haben ihn die Gesetzlosen erwischt?“, fragte sie undeutlich, während ihre Finger mit dem Kaugummi kämpften.
Er stöhnte. „Wohl eher eine Frau, die John aus dem Wasser gefischt hat, so nass, wie die beiden waren. Alva wird alles tun, was in ihrer Macht steht, doch von dem, was ich mit bloßem Auge erkennen konnte,- naja wir werden es abwarten müssen.“
Aras Kaugummi war bereits wieder in ihrem Mund und ihr ganzes Gesicht strahlte auf einmal. „Ach, das ist so romantisch! Ich renn‘ eben zu Vinz und erzähl‘ ihm alles!“
Und schon stürmte sie davon, wie ein Wirbelwind, das komplette Gurtzeug immer noch an.
Kein Wunder, dass Ara und Ambi sich so gut verstehen, sagte sich Agnus im Stillen. Ambrosius Leben glich einer riesen Domino-Schau, bei der die fallenden Steine ständig die Richtung wechselten, Dinge in Bewegung brachten, kleine Feuerwerke oder Ähnliches in Gang setzten. Dieser Vampir war immer noch neugierig, wie ein kleines Kind und probierte mit Begeisterung ständig etwas Neues aus. Vielleicht lag das ja an seinem Naturell als Forscher, dachte Agnus. Ambi kämpfte zwar Seite an Seite mit den Wächtern, doch eigentlich forschte er unter ihrem Dach nur im Auftrag der Vampire. Sein Spezialgebiet war die Chemie in all ihren Spielarten, insbesondere die menschliche und vampirische Körperchemie, Hormone, Botenstoffe usw.. Ziel seiner Forschung war das Geheimnis der Symbiose zwischen Vampirmännern und Menschenfrauen zu entschlüsseln. Doch Agnus kannte auch seine zweite Leidenschaft, das Fliegen.
Mit einem Anflug von Lächeln hob Agnus eine Augenbraue, als Ambi das Bungee-Seil aus dem Kofferraum holte.
„ Na, mit was hat Vinz dir gedroht,
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