Unsterbliche Bande
hatte nur überlebt, weil ein Cop sie rechtzeitig gefunden hatte. Von da an wusste sie zwei Dinge: Dass es Monster gab, die wie Menschen aussahen, und dass sie eines Tages ein Cop sein und die echten Menschen vor den Monstern beschützen würde. Als sie dann der Polizei beitrat, hatte sie gelernt, dass auch die Monster echte Menschen waren – krank, abartig und böse, aber Menschen. Aber ihr Ziel hatte sich nicht geändert.
Kurz nach dem schrecklichen Erlebnis hatte sie nur einen Wunsch gehabt, sie wollte das Monster, das Sarah getötet hatte, tot sehen. Und sie wollte diejenige sein, die es tötete. Das war eines der wenigen Dinge gewesen, die sie über das, was ihr passiert war, hatte sagen können, und es hatte ihrer Mutter Angst eingejagt. Die Therapeutin, zu der man sie geschickt hatte, hatte über Gefühle und nicht über Taten sprechen wollen. Sie hatte nicht gewusst, was man zu einem Kind sagen sollte, das von Mord träumte.
Großmutter hatte es gewusst. Sie hatte Lily den Rücken getätschelt und gesagt: »Natürlich möchtest du ihn töten. Trotzdem geht das nicht. Und jetzt töte das Unkraut in meinem Garten. Reiß es mit der Wurzel heraus. Töte so viel davon, wie du kannst.«
Noch heute liebte Lily es, im Garten zu arbeiten.
Es hatte zwanzig Jahre gedauert, bis sie verstand, dass sie noch aus einem anderen Grund Cop geworden war. Sie brauchte Regeln. Sie war fähig zu töten und musste ganz genau wissen, wie die Regeln lauteten, damit sie nur dann tötete, wenn es absolut notwendig war.
Sie stand da, umschlungen von Rules Arm, und blickte ins Feuer, dessen Hitze sie auf ihrem Gesicht spürte. Zwei Nokolai hatten Geigen mitgebracht und zu spielen begonnen. Sie hatte ein wenig getanzt. Sie hatte keine Gehirnerschütterung, und ihre Rippen taten zwar ein bisschen weh, doch das machte nichts. Rules Schusswunde – von der er ihr erst erzählt hatte, als sie sie selbst entdeckt hatte – war vollständig geheilt. Also hatte sie mit Rule getanzt und auch mit anderen. Sie hatte überlebt, er hatte überlebt, und alle, die heute Abend hier waren, hatten es trotz des Krieges durch das Jahr geschafft. Das würden sie nun feiern.
Einige hatten es nicht geschafft. Zu viele.
Lily wusste nicht, ob sie Benessarai getötet hätte, wenn Drummond nicht aufgetaucht wäre und dieses Versprechen von ihr gefordert hätte. Vielleicht. Vielleicht hätte sie es getan. Das von sich selbst nicht genau zu wissen war nicht angenehm. Wenn sie ihn getötet hätte, hätte sie es nicht getan, weil sie es musste, oder aus dem praktischen Grund, dass es so verdammt schwierig war, einen Sidhe mit seinen Fähigkeiten zu inhaftieren. Sie hätte es getan, weil sie es konnte und er den Tod für das, was er getan hatte, eigentlich verdient hatte.
Sie fand immer noch, dass er es verdiente, zu sterben, doch die Entscheidung darüber lag nicht bei ihr. Hatte nie bei ihr gelegen. Das war es, was sie vor ein paar Minuten ins Feuer geworfen hatte.
Manchmal wuschen sich die Bösen rein, gänzlich und vollständig. Das hatte sie von Drummond gelernt. Das war der Grund, warum es nicht ihre Entscheidung war.
»Es mag dumm klingen«, sagte sie, »aber irgendwie vermisse ich ihn.«
»Wen vermisst du?«
»Drummond.«
»Du hast recht. Das klingt ziemlich dumm.«
Sie gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen. »Eigentlich solltest du mich beruhigen.«
»Das geht nicht. Das gehört zu dem, was ich gerade eben ins Feuer geworfen habe.«
Sie drehte sich in seinen Armen um, um ihn anzusehen, und legte locker die Hände um seinen Hals. »Ich nehme doch an, dass du nicht damit aufhören wirst, mich zu beruhigen.«
Er strich leicht an der Seite ihres Gesichts entlang, die immer noch ein bisschen geschwollen war. »Ich höre langsam auf zu glauben, dass ich besser weiß als du, was für dich gut ist. Nicht ganz ehrlich zu dir zu sein. Und wenn ich ganz ehrlich bin, klingt es ziemlich dumm, wenn du –«
Rule war unter den Armen sehr kitzelig, was sie nun weidlich ausnutzte. Natürlich rächte er sich, und so kam es, dass sie beide lachten, als Cynna die Kuhglocke kräftig und laut läutete, um das neue Jahr willkommen zu heißen.
Epilog
An einem Ort, der nicht so war, wie wir ihn uns vorstellen, taten zwei Menschen das, was die Menschen hier oft in einem Bett tun.
Nein, nicht das. Obwohl ihre Wiedervereinigung freudig und lang gewesen war und viel Sex dabei ins Spiel gekommen war – oder etwas Ähnliches wie Sex, auch wenn sie beide keine Körper
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