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Unsterbliche Küsse

Unsterbliche Küsse

Titel: Unsterbliche Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemary Laurey
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strich sich mit der Hand über die Stirn und durch das kastanienfarbene Haar, als würde sie eine schwere Erinnerung oder eine alte Verletzung wegwischen. »Ich kann mich gut um mich selber kümmern. Emma wohnt nur ein paar Meter weg von hier, und ich werde gute Schlösser haben, damit kein Einbrecher reinkommt.«
    Ihn würden sie nicht abhalten. Nun nicht mehr, seit er ihr Gast war. Was war mit den anderen?
    »Schau, was ich hier gefunden habe.« Sie ging an die Regale und nahm ein Buch heraus. Als sie zurückkam, leuchteten ihre Augen vor Aufregung. »Ich bin mir sicher, es wird ständig darüber gewitzelt, aber ich konnte einfach nicht anders.« Sie hielt das Buch fest an die Brust gedrückt. »Das musst du sehen.« Sie hielt ihm einen abgewetzten, in Kalbsleder gebundenen Schmöker entgegen.
    Er griff mit beiden Händen danach und spürte sofort die Wärme ihrer Brust auf dem Leder. Dann öffnete er es vorsichtig – jeder unsachgemäße Griff könnte den alten Einband zerstören – und starrte auf das Titelblatt. War sie etwa dahintergekommen? Wie?
    » Der Jude von Malta . Vor einer Stunde oder so habe ich es entdeckt.« Er nickte, glättete mit seinen kühlen Fingerspitzen die modrigen Seiten. Dann las er das Erscheinungsjahr, hatte aber nicht den Mut, es ihr zu sagen. Er hob den Blick von den abgenutzten Seiten und sah in ihre leuchtenden Augen. »Es ist sehr alt«, fuhr sie fort. »Möglicherweise eine Kopie aus dem 19. Jahrhundert und deshalb ziemlich wertvoll, aber als Erscheinungsjahr ist 1587 angegeben, und ich glaube, das ist falsch.«
    »Richtig. Tatsächlich ist es 1589 erschienen.« Er hätte sich auf die Zunge beißen können.
    Ihre Augen begannen noch mehr zu strahlen. »Du hast ihn also gelesen?«
    »Meinen Namensvetter? Warum nicht? Ja, ich weiß alles über Kit Marlowe.« Er seufzte. Die Vergangenheit saß ihm wie ein Raubtier im Nacken. Er wusste alles.
    Sie setzte sich auf die Kante des Eichentischs und blickte ihn an. »Ich habe ihn auf dem College studiert und das Examen mit Englisch im Hauptfach gemacht, danach erst die Ausbildung zur Bibliothekarin. Marlowe hat mich seit jeher fasziniert, er war so talentiert und mysteriös. Fragt sich, wer er überhaupt war. Stammen Shakespeares Werke von ihm? Was ist tatsächlich in jener Schänke in Deptford geschehen? Eine Seifenoper ist nichts dagegen.«
    »Will Shakespeare hat Shakespeare geschrieben, und Kit Marlowe ist der Verfasser Marlowes. Und Betrug und Verrat sind keine schöne Sache.«
    Sie zuckte zusammen bei diesen direkten Worten. »Du kennst sein Werk wohl wirklich sehr gut.«
    Er zuckte bedenklich mit den Schultern. »Könnte man sagen.«
    Sie war noch nicht zu Ende. »Der reinste Krimi. So jung und talentiert und kommt bei einer Schlägerei ums Leben, und dann auch noch so eine komische Verletzung …« Sie unterbrach ihren Satz und biss sich auf die Lippen, sah ihm ins Gesicht und wurde puterrot. »Tut mir leid, das war taktlos.«
    Er legte das Buch auf die staubige Tischplatte und umfasste ihre Schultern mit den Händen. »Dixie«, flüsterte er, »es macht nichts. Es ist alles so lange her.«
    Sie kaute mit den Zähnen auf ihrer Unterlippe. »Ich hab mir nichts dabei gedacht, sondern einfach drauflosgeplappert. Was für ein Zufall aber auch.« Sie schwieg, das Gesicht reumütig angespannt. »Ich bin so taktlos. Ich wollte bloß …«
    »Vergiss es. Ich bin andere Sachen gewöhnt. Die Dorfblagen rufen mir ›Pirat‹ hinterher.«
    »Was ist passiert?«
    Sie fragte ihn nicht nach den Ereignissen in der Schänke in Deptford. Und doch stand die Frage danach im Raum. Sie würde niemals glauben, was dort wirklich passiert war. »Es passierte vor langer Zeit – ich war noch jung und ein ziemlicher Draufgänger. Mit dem einen guten Auge habe ich achtzig Prozent Sehfähigkeit. Es ist nur eine kleine Behinderung.«
    Ihre weißen Zähne waren noch immer mit ihren Lippen beschäftigt. Noch eine Minute und es würde Blut fließen. Das konnte er nicht zulassen. Der Duft ihres Blutes würde ihn wahnsinnig machen. Er zeichnete mit zwei Fingern den Schwung ihrer Augenbrauen nach, streichelte über ihre Wangen, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft auf den Mund.
    Wie warm und süß sie war. Sie schmeckte wie Geißblattnektar in einer Juninacht. In seinen Mund drang etwas, das sich wie Sonnenstrahlen auf Marmor anfühlte. Als ihre Zungen sich trafen, seufzte sie wie Espenlaub in einer lauen Nachmittagsbrise.
    Dann zog er sich sanft zurück

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