Unsterbliche Küsse
Dial Cottage ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Für Christopher kam jede Hilfe zu spät. Anscheinend hat er im Bett geraucht und dadurch den Brand ausgelöst.«
Christopher war bei dem Feuer Montagnacht nicht ums Leben gekommen. Das würde man bald auch ohne ihre Hilfe herausfinden. Sie konnte die Wahrheit nicht erzählen und kannte doch auch nur die halbe Wahrheit.
* * *
Dixie machte sich mit Emmas Verteilerliste und einem Stapel der neuesten Ausgabe von St. Michael’s Trumpets auf den Weg. Damit hatte sie eine gute Gelegenheit, an so mancher fremden Tür einfach zu klingeln und sich die Tratschlust der Dörfler zunutze zu machen. Sie stellte grundlegende Fragen über den Brandfall Dial Cottage, erfuhr aber nichts Neues, außer dass sich die Leute uneins waren über die exakte Anzahl an Löschfahrzeugen.
Dixie ging langsam auf Christophers abgebranntes Haus zu. Die Grundmauern standen noch, aber alle Fensterscheiben waren geborsten.
Die massiven Dachbalken, die schweren Stürmen und den Angriffen der deutschen Luftwaffe getrotzt hatten, ragten verkohlt und nackt vor dem ebenfalls schwarzen Geäst der Bäume in die Luft.
Ein Gewirr von Fußspuren markierte den ehemals makellosen Rasen, und die Pflanzen und Sträucher waren durch Löschwasserschläuche oder Neugierige platt gedrückt oder beschädigt worden. Weiß-blaues Flatterband von der Polizei sperrte die wüste Stätte ab.
»Madam, Sie können da nicht rein. Es wird noch ermittelt.« Dixie drehte sich um. An der Ecke der Ruine standen Sergeant Grace und noch zwei weitere Beamte. »Sie sind doch Miss Page?«
»LePage.«
»Genau die Person, die wir suchen.«
»Miss LePage«, sagte der größte von den Dreien, »ich bin Detective-Inspector Jones und das ist Detective-Sergeant Wyatt.« Der andere Beamte nickte, lächelte aber nicht. Jones sah auf den Stapel blauer Hefte in ihrem Arm. »Nehmen Sie’s nur gleich wieder mit. Er wird es jetzt nicht lesen.«
»Sie haben recht.« Ihr Blick wanderte über das verkohlte Gerippe, das einmal Christophers Haus gewesen war.
»Ich nehme an, Sie haben Mr Marlowe gekannt. Vielleicht können Sie uns helfen«, sagte Jones.
Dixie musterte Sergeant Grace und seine Begleiter. Die beiden trugen keine Schusswaffe und hatten keinerlei Abzeichen. Sie sahen eher aus wie Buchhalter.
Warum verspürte sie dann Unbehagen in ihrer Brust wie einen Klumpen kaltes Blei?
»Angeblich hatten Sie Kontakt mit Mr Marlowe«, sagte Jones. »Sind Sie zusammen ausgegangen?«
Was war das denn? Die Moralpolizei? »Ich kann Ihnen nicht recht folgen.«
»Verstehen Sie uns bitte nicht falsch, Miss LePage«, sagte Wyatt. »Wir würden nur gerne jemanden finden, der weiß, wie er so gelebt hat. Denn gekannt haben ihn scheinbar alle, aber niemand kennt irgendwelche Details. Da haben wir uns gedacht, dass vielleicht Sie …«
Er sparte sich den Rest.
»Sie glauben, dass ich mehr weiß als die Menschen, die ihn seit Jahren gekannt haben?« Sie schluckte. Sicher wusste sie mehr, würde aber niemals damit herausrücken.
Jones nickte. »Sie kennen nicht zufällig den Namen seines Arztes oder des Zahnarztes?« Dixie schüttelte den Kopf. »Schade. Wir brauchen jemanden, der uns hilft, die Leiche zu identifizieren.«
Woher sollte hier eine Leiche kommen? »Keine Ahnung.«
»Schon gut, Miss LePage«, beruhigte sie Grace. »Wir finden das raus. So viele Ärzte mit beinamputierten Patienten kann es nicht geben.«
»Beinamputiert? Wie kommen Sie denn darauf?«
»Die Leiche, Miss LePage.«
Leiche? Es gab eine Leiche? »Unmöglich! Christopher hat ein Auge verloren, aber kein Bein.«
»Ihm fehlte auch ein Bein«, sagte Jones. »Fällt kaum auf heutzutage. Wir haben nicht mehr die alten Metallprothesen aus Kriegszeiten.«
»Ihm fehlte definitiv kein Bein.« Die drei starrten sie fassungslos an, was ihr aber egal war. Wer auch immer Christopher umbringen wollte, hatte ein anderes Opfer gefunden. »Christopher hatte beide Beine.«
»Sie sind sich absolut sicher? So sicher, dass Sie das auch vor Gericht beschwören könnten?« Jones gab sich trotz seines gelangweilten Blicks irgendwie interessiert.
»Ja!«
»Was macht Sie denn so sicher?«, fragte Wyatt.
»Ich habe sie gesehen.« Sie hoffte nur, sie würden nicht wissen wollen, wann.
Immerhin warf Jones’ merkwürdiger Blick die Frage auf, ob außerehelicher Sex im Vereinigten Königreich ein Vergehen sei.
»Wären Sie bereit, diese Aussage vor Gericht zu wiederholen?«
»Nötigenfalls
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