Unsterbliche Küsse
sie haben.«
Darauf war Verlass. Wann hätte ihn Justin je im Stich gelassen?
»Du hättest ihr nie die ganze Wahrheit sagen können.«
Tom hatte recht. Wenn Dixie auch nur im Entferntesten ahnte, dass Sebastian an der ganzen Geschichte beteiligt war, würde sie unverzüglich in seiner Kanzlei aufkreuzen und Rache schwören. Besser war es, sie im Unwissen zu belassen.
Nachdem sie sich zweimal verfahren hatte und in einen schier endlos langen Stau geraten war, zeigte die Uhr fast zehn, als sie in Bringham ankam. Sie hatte noch keine Lust, sich der Leere ihres Hauses zu stellen, und die Lichter des Barley Mow forderten ohnehin dazu auf, einen kurzen Zwischenstopp einzulegen. Dixie sehnte sich nach etwas Essbarem, einem kühlen Guinness und menschlicher Gesellschaft, wobei die Betonung auf menschlich lag.
»Spät dran, meine Liebe,«, sagte Alf, als er ihr ein Baby-Guinness servierte. »Wir schließen gleich.«
»Ich war in London.«
Wenn sie ein Alibi bräuchte, warum nicht gleich hier für seine Verbreitung sorgen?
»Ihr Glück! Der Abend hier war nämlich unter aller Kanone.«
»Ich hätte gern noch was gegessen. Kann ich einen Happen ›to go‹ haben?«
Alf legte den Kopf zur Seite. »Sie meinen was zum Mitnehmen? Ich will mal sehen. Ohne Vernon war der Abend ganz schön stressig. Der kriegt was zu hören, wenn er wieder aufkreuzt.«
»Was ist denn mit Vernon?«
»Ach, weiß der Himmel. Er ist einfach nicht zur Arbeit erschienen und ans Telefon geht er auch nicht. Wenn er morgen nicht wiederauftaucht, schreib ich die Stelle aus.«
Nachdem sie ihr Glas geleert hatte, drückte er ihr ein in Folie verpacktes Päckchen in die Hand. »Ein Käse-Chutney-Sandwich ›to go‹«, sagte er grinsend.
Dixie klemmte sich das Päckchen unter den Arm und nahm zusätzlich noch ein paar Flaschen Guinness mit. Hier in der Bar kamen zu viele Erinnerungen an Christopher hoch. Besser war es, nach Hause zu gehen.
Sie schlüpfte zwischen das grobleinene Bettzeug und breitete die gehäkelte Überdecke zeltartig über die angezogenen Knie; sie bröselte sie ungeniert voll, als sie ihr Sandwich verspeiste. Beim letzten Guinness fragte sie sich, ob drei an einem Abend nicht doch zu viel seien, leerte es aber trotzdem.
Sie fasste sich an den sorgfältig verpflasterten Verband an ihrer Brust. Sicher würde für immer eine Narbe zurückbleiben, hier und an einer weiteren, jedoch unsichtbaren Stelle. Dafür wusste sie Christopher in Sicherheit.
Müde und mit einem von Alkohol und Kopfschmerzen schweren Kopf rollte sie sich unter der Bettdecke zusammen. Beim Einschlafen gingen ihr zwei Gedanken durch den Kopf: Sie liebte einen Vampir und hatte außerdem zwölfeinhalb Kilo gammeliger Hühnerleber in ihrer Speisekammer.
Gleich am nächsten Morgen vergrub sie die Hühnerlebern zwischen den Stachelbeer- und Himbeersträuchern. Kaum hatte sie die Erde glatt gerecht, spazierte Emma durch das Gartentor. »Ich wollte nur mal nachfragen, wie es so läuft mit dem Pfarrblatt.«
Dixie hatte nicht einen Gedanken darauf verschwendet. Sie hatte bei Gott anderes zu tun gehabt. »Heute Nachmittag wollte ich es austragen.«
Emma lächelte. »Dürfte nicht allzu lange dauern. Es geht nur um die Strecke von hier bis zum Bahnhof und die Häuser hinter dir. Den Weg bis Dial Cottage kannst du dir sparen.«
»Wie meinst du das?« Wusste sie etwa was?
»Sag bloß, du weißt noch nichts? Sonderbar, wie du bei dem Lärm der Feuersirenen schlafen konntest.«
»Welche Feuersirenen?«
»Montagnacht oder vielleicht auch Dienstagmorgen.«
»Da war ich in London. Mit einem Freund.«
»Jemand, den ich kenne?«
Sie musste vorsichtig sein. Alles, was sie Emma erzählte, würde bis spätestens mittags über die Dorftrommeln flächendeckend verbreitet sein. »Ein Freund aus Collegetagen.«
»Und? Hat es sich gelohnt?«, fragte Emma, die Augen neugierig funkelnd, während Dixie das Blut in die Wangen schoss.
»Du bist mir vielleicht eine. Lässt uns hier alle in dem Glauben, sie würde nur in ihrem Haus herumwerkeln, dabei hat sie was am Laufen in der Stadt. Wann bringst du ihn denn mal mit und stellst ihn uns vor?«
»Er reist demnächst zurück in die Staaten.« Gran hatte recht, eine Lüge folgte der anderen auf dem Fuß. Zeit, das Thema zu wechseln. »Was ist denn Montagnacht passiert?«
»Oh, da war mal richtig was los. Feuerwehrautos von nah und fern. Zwei kamen direkt hier vorbei. Wir haben den Brand von unserem Schlafzimmerfenster aus verfolgt.
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