Unsterbliche Liebe
aus dem Häuschen. Du bist mir vielleicht einer. Wenn ich dich nicht gebremst hätte …«
»Ich hab überhaupt nicht nachgedacht.«
»So würde ich das auch sehen, aber du bist, wie man heute sagt, total gestresst. Von daher ist das verständlich.«
»Kit, gestresst hab ich mich gefühlt, als ich diese Brigantinen im Nebel aufzuspüren versuchte, oder als ich diesen toten Stadtstreicher gegen deine Leiche austauschte. Das gerade eben war eine zerebrale Kernschmelze.«
»Nur zerebral? Nicht emotional?«, fragte Kit mit der Andeutung eines Lächelns.
»Was glaubst du denn, wo ich meine Emotionen habe, wenn nicht im Gehirn. In den Füßen?«, fragte Justin.
»Letzte Nacht hab ich mich das durchaus mal gefragt.«
Kit konnte sich glücklich schätzen, dass sie in der Öffentlichkeit waren.
Justins Erleichterung währte rund zweihundert Meter. Als sie an der Ruine des ehemaligen Drogenschuppens vorbeikamen, gab ihm das wieder Auftrieb. Das Viertel konnte ihm wirklich dankbar sein, und nicht nur, weil er ihnen ein paar Graffitisprüher und Vandalen vom Hals geschafft hatte, aber manche Dinge verstanden halt nur Wiedergänger. Und das war vielleicht auch gut so. Und es war gut zu wissen, dass Stella in Sicherheit war. Verdammt, es bewahrte ihn davor durchzudrehen. Die Vorstellung, sie wäre weggerannt, hätte ihm das Genick gebrochen, und das kurz vor dem Tribunal. Nun konnte er seinen Richtern in dem Wissen gegenübertreten, dass er die Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen musste, aber eben auch in dem Wissen, einen Ort zu haben, an den er sich mit Stella zurückziehen konnte. Sie hatten eine Zukunft.
Mit der Schande der Verbannung aus der eigenen Kolonie würde er zu leben lernen, vorausgesetzt natürlich, Stella wäre überhaupt willens, ihr Leben an der Seite eines Ausgestoßenen zu verbringen.
Als sie in Richtung City Park abbogen, verfinsterte sich seine Stimmung wieder. Er hätte Stella an seiner Seite, vielleicht, aber wie sollten sie in einer unbekannten und fremden Kolonie zurechtkommen? Wie konnte er sie und Sam beschützen, ohne selbst die Regeln zu kennen? Sollte er vielleicht doch ins Exil gehen und die beiden bei Kit und Dixie sicher zurücklassen? Er spürte die nächste zerebrale Kernschmelze nahen.
»Du bist früh dran.«
»Ich weiß, Mom, aber ich hab später noch zu tun in der Stadt.«
»Es gibt also Wichtigeres als den Besuch bei deiner Mutter?«
Stella flehte um Geduld. Nach so langer Zeit im Gefängnis musste man ja schnippisch werden. »Mom, gerade weil mir der Besuch bei dir so wichtig ist, bin ich mitten in der Nacht aufgestanden und zu dir geeilt. Ich wollte dich nicht sitzen lassen.«
»Das will ich hoffen! Du weißt, ich rechne mit dir. Gerade mit dir.«
Hatte sie noch andere Leute, die sie besuchten? Die meisten von Moms Freunden waren entweder selbst im Gefängnis oder wären niemals freiwillig zu einem Besuch bereit. »Verlass dich auf mich, Mom.«
»Gut.« Ihre Mutter zeigte eine Spur Milde. »Du bist ein gutes Mädchen, Stella. Du kommst regelmäßig und passt auf mein Haus auf, ja?«
»Ich tu mein Bestes, Mom.«
»Wer will schon nach der Entlassung direkt ins Obdachlosenheim, ich nicht, ich will nach Hause, zu meinen eigenen Möbeln und meinen Sachen.«
Stella wollte sich nicht länger mit dem Haus befassen, mit seinem undichten Keller und uralten Leitungen. »Ich hab eine neue Stelle, Mom.«
»Was? Du hast in der Reinigung gekündigt?«
»Es hat sich angeboten. Ich arbeite jetzt in einem Laden am oberen Ende der Fifth Street. Die Leute sind nett und die Bedingungen gut. Ich bin dort sehr flexibel, und einen neuen Babysitter bekomme ich auch.«
Mom schwieg eine Minute. »Geht es Sam gut?«
»Ganz gut.«
»Fein. Du hast recht damit, ihn nicht hierherzubringen.« Sie sah zu einer Mutter hinüber, auf deren Schoß zwei kleine Kinder spielten. »Für Kinder ist das nicht der richtige Ort. Ich war oft ungehalten darüber, dass du ihn nicht mitbringst, aber du hast recht.«
»Schon gut, Mom.«
Dann hörte sie stillschweigend den Geschichten ihrer Mutter zu, Tratsch vor allem, und was halt so passiert war im Gefängnis. Stella lächelte gelegentlich und pflichtete ihr gegebenenfalls bei, dachte aber die ganze Zeit nur darüber nach, wie sie am schnellsten verschwinden könnte, ohne sich den Vorwurf einzuhandeln, sie würde nicht lange genug bleiben. Sie war müde und unausgeruht, und sie hatte etwas vor in Columbus.
»… könnte sein, dass Jimmys
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