Unsterbliche Liebe
einmal mir würde das passieren.«
Sie hatte recht. Er machte sich unnötig Sorgen. »Ich meine nur …«
»Es wird alles gut gehen, alter Junge.« Kit klopfte ihm auf den Rücken und legte die andere Hand um Dixies Schulter.
Dixie ignorierte die Geste und erwiderte die Umarmung sogar. »Beeil dich«, sagte sie und gab Justin einen leichten Kuss auf die Wange. »Du sammelst keine Pluspunkte, wenn du sie warten lässt.« Sie trat einen Schritt zurück und schubste ihn sanft. »Los jetzt.«
Er machte sich auf den Weg.
Herrjeh, das war lächerlich! Vor den Standpauken seines strengen Großvaters hatte er nicht so einen Bammel gehabt. Zu Hilfe, Abel! Selbst dem Tod in Gestalt eines mit Widerhaken bewehrten Pfeils ins Auge zu sehen, war einfacher gewesen. Er musste lediglich den rissigen Betonpfad entlanggehen und an der Haustür klingeln; aber er war nun einmal nach wie vor davon überzeugt, ein Seidenhemd wäre vielleicht übertrieben und von seiner letzten Mahlzeit würde ihm noch das Blut vom Kinn tropfen. Er fühlte sich so verdammt menschlich!
Sam öffnete die Tür. »Hallo! Herein, herein, herein!«, sagte er und hüpfte dabei von einem Bein auf das andere, während sein Samtcape am Rücken flatterte. »Mom ist schon fast fertig, und sie sieht wie eine richtige Prinzessin aus.«
»Justin?«, rief Stella von oben herunter. »Einen Moment noch.«
»Kein Problem. Ich halte inzwischen diesen Vampir bei Laune.«
Sam grinste. »Mom sieht hübsch aus.« Justin glaubte ihm das aufs Wort. »Wenn sie sich doch jeden Tag so anziehen würde.«
»Da würde sich ihr Chef sicher wundern.«
»Ja, aber er … Hey, Mom!« Sam hatte recht gehabt. Stella kam in einem Traum aus königsblauem Chiffon die Treppe herunter. Der bodenlange Rock des Kleids umspielte ihre Fesseln, während das Oberteil ihre vollen Brüste betonte. »Sieht sie nicht wie eine Prinzessin aus?«
»Wie eine Kaiserin.«
So viele Komplimente war sie nicht gewohnt. »Gebt mir eine Pause, ihr beiden!«
»Wo hat denn deine Mom ihren Mantel?«, flüsterte Justin.
»Im Schrank.«
»Gut.« Sie konnte gar nicht so schnell schauen, als Justin die Tür auch schon geöffnet hatte. Es gab nur einen Mantel in Erwachsenengröße. »Der Marineblaue?«
»Ich nehm ihn schon.«
Nicht solange er hier war. »Ich hab ihn.« Justin griff nach dem Mantel. Er war aus grobem, billigem Wollstoff. Würde es nach ihm gehen, dann trüge sie nur Kaschmir oder feinstes Alpaka. Er trat hinter sie, um ihr in den Mantel zu helfen. Sie hatte keine andere Wahl, als ihn gewähren zu lassen. »Sitzt er richtig?«
Sam schaute mit offenem Mund zu. »Seit wann bekommen Erwachsene Hilfe beim Mantelanziehen?«
»Wenn sie wie Kaiserinnen und Prinzessinnen aussehen.«
Stella hantierte an den Mantelknöpfen. »Willst du das Cape wirklich anbehalten?«, fragte sie Sam.
»Klar! Ich will es Dixie noch einmal zeigen, und ich will wieder Vampir sein!«
»Na, Sam …«
Sam seufzte. »Mom, ich weiß doch, dass es in Wirklichkeit gar keine Vampire gibt, aber warum kann ich nicht einen Abend lang so tun als ob?« Justin bewunderte den flehentlichen Tonfall in seiner Stimme und den bittenden Blick. Würde Stella dem widerstehen können?
Nein. Sie legte schnell einen Arm um Sam. »Einverstanden. Aber du musst mir versprechen, ganz lieb zu sein.«
»Bin ich doch immer, Mom.« Er wand sich aus ihrer Umarmung.
Justin stellte sich vor, Sams Platz in Stellas Armen einzunehmen. Später … »Die werden Augen machen draußen auf der Straße. Hast du deine Tasche?«, fragte er Sam und wandte sich dann Stella zu. »Bereit zum Aufbruch?«
Einen Moment lang fürchtete er schon, sie hätte es sich anders überlegt, aber sie lächelte. »Ja.«
Mehr wollte er nicht hören. Sie setzten Sam ohne großes Aufhebens ab und verabschiedeten sich schnell.
»Hoffentlich geht alles gut«, sagte Stella, während sie in Richtung Innenstadt fuhren.
»Würdest du Kit und Dixie nicht vertrauen, hättest du ihn nicht dagelassen, oder?«
Stella seufzte halb, halb lachte sie. »Du hast recht.« Sie hielt inne. »Darf ich mal was fragen? Du nennst ihn Kit, Dixie nennt ihn Christopher. Wie heißt er eigentlich wirklich?«
»Beides ist richtig. Das eine ist sein richtiger Vorname, das andere sein Spitzname. Als ich ihn kennengelernt habe, wurde er von seinen Kumpeln Kit genannt, während Dixie ihn seit jeher Christopher ruft. Er reagiert auf beides.«
»Du kennst ihn also schon länger, als sie ihn kennt?«
»Jahre.«
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