Unsterbliche Liebe
mehr, wobei ich den Ausdruck Wiedergänger vorziehe. ›Vampir‹ ist durch Hollywood sehr in Verruf geraten.«
Sie versank in nachdenkliches Schweigen, aber er wusste schnell, wie ihre Antwort lauten würde. »Ich bleibe beim Altbekannten. Ich bin ein Vampir.« Sie schwieg abermals, und er konnte die Schockwellen förmlich sehen, die diese Worte in ihrem Bewusstsein auslösten.
»Es hat durchaus Vorteile gegenüber einer sterblichen Existenz. Um dir einen vor Augen zu führen, habe ich dich hier raufgebracht. Wenn du morgen deine Schuhe bekommst, gehen wir zum Fluss und springen von einem Ufer zum anderen. Wir können jedes Gebäude in der Stadt erklimmen und schneller laufen als jedes Auto oder gar der Zug. Ich zeige dir, wie das geht. Schließlich bist du mein Frischling, und ich bin für dich verantwortlich.«
Da täuschte er sich gewaltig. Sie fuhr ihn heftig an im Geiste. Ihre Verärgerung schlug förmlich Funken. »Wenn ich diese Schuhe morgen bekomme, werde ich nach Hause fahren. Sam muss sich auf die Schule vorbereiten, und ich muss am Montag auch wieder zur Arbeit.« Sie stand auf und starrte ihn entsetzt an. »Wie um Himmels willen soll ich denn arbeiten, wenn ich den ganzen Tag über schlafe?«
»Du kannst nicht arbeiten, und du hast es auch nicht mehr nötig, zu arbeiten.«
»Aber ich brauche meinen Job. Wovon soll ich sonst leben?« Sie war so in Sorge, dass sie fast zitterte.
»Stella, ich kümmere mich doch jetzt um dich.«
»Wie bereits schon einmal, nehme ich an!« Sie machte eine unüberlegte Bewegung. Überrascht, wie schnell sie plötzlich war, verlor sie das Gleichgewicht und stürzte ab.
Justin sprang sofort hinterher, fing sie auf halbem Wege auf und landete, sie sicher im Arm haltend, mit beiden Beinen auf dem Boden. Der unerwartete Körperkontakt hatte ihn erregt, doch Stella schlug mittlerweile unverdrossen auf ihn ein.
Er wartete, bis sie von ihm abließ und ihn verdutzt anstarrte. Sie war wütend auf ihn, weil er sich um sie kümmerte, andererseits gehörte es sich doch, dass sie sich bei ihm bedankte dafür. Schließlich hatte er sie aufgefangen. Ihr war nicht klar, dass sie auch aus eigener Kraft sicher hätte landen können.
Das Gebot der Höflichkeit obsiegte. »Danke. Wenn ich das nächste Mal einen Wutanfall bekomme, dann nur auf sicherem Boden.«
»Du kannst es lernen, vom Dach zu springen. Es ist nicht so schwer.« Sie begann zu zählen … allem Anschein nach bis hundert. Er hatte alles komplett falsch gemacht. »Stella«, sagte er, als sie bei fünfundsiebzig angelangt war. »Wir sind doch nicht nach draußen gegangen, um dich wütend zu machen, sondern um dir zu zeigen, was du jetzt alles kannst.«
Sie unterbrach ihr Zählen und hörte zu. Ein Fortschritt! Endlich. Oder doch nicht? Wieder machte sich Panik in ihr breit. »Ich habe den Eindruck, das, was ich jetzt alles tun kann und was ich eigentlich tun müsste, passt nicht so recht zusammen. Ich kann praktisch von Hochhäusern herunterspringen, bin aber nicht dazu in der Lage, morgens früh aufzustehen und meinem Sohn das Frühstück zu machen. Ich bin schneller als jede Gewehrkugel, kann die Dinger sogar abfangen, aber ich kann nicht aufstehen, um zur Arbeit zu gehen. Und selbst wenn ich es könnte, wäre in nicht dazu in der Lage, mich zu schminken, weil ich mich nicht im Spiegel sehe.«
»Spiegel sind in der Tat problematisch. Hat irgendwie mit dem Silber zu tun, wir werden einfach nicht reflektiert, und wenn wir direkt hineinschauen, sehen wir unser ganzes Leben darin gespiegelt. Deshalb gehen wir ihnen tunlichst aus dem Weg. Sprich mal mit Dixie über das Frisuren- und Schminkproblem. Sie experimentiert mittlerweile mit dunklem, poliertem Plexiglas.«
»Nun ja, meine Haare kann ich also machen, aber, ich will morgens doch aufstehen und zur Arbeit gehen.«
»Das wird noch etwas dauern.«
Sie hielt sich an dieser Wendung wie an einem Rettungsanker fest. »Wie lange?«
Er zögerte, erinnerte sich daran, was Kit ihm über Dixie erzählt hatte. Ihre neuen Ernährungsgewohnheiten hatten sie wohl ziemlich schockiert. »Kommt darauf an.«
»Auf was?«
Er würde ihr alles sagen müssen. Bald. Noch war er nicht bereit dazu, und, wie er vermutete, sie auch nicht, aber … »Wollen wir uns nicht setzen?« Er deutete auf eine Teakholzbank unter einem entlaubten Baum.
Sie überlegte, ob sie ablehnen sollte – wie er aus ihrem Gedankenstrom herauslas –, nickte aber dann. »Okay.«
Als sie nebeneinander auf der
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