Unsterbliche Liebe
Freunde zu sein, in den Hintergrund, aber steckte nicht längst mehr als nur Freundschaft hinter der Beziehung zu diesem Mann? »Fließt nun dein Blut in meinen Adern?«
»Dein Blut wurde mit meinem gemischt. Auf diese Weise habe ich dich verwandelt.« Er hielt inne. »Uns verbindet jetzt ein gemeinsames Band, Stella.«
Das war eine von Myriaden Ängsten und Sorgen, die sie nun umtrieben. Aber … »Sam schläft jetzt.«
»Wie willst du das wissen?«
»Ich habe gehört, wie sich sein Atem verändert hat.«
»Durch eine verschlossene Tür?« Er sah sie beinahe herausfordernd an.
»Ja, durch eine geschlossene Tür.« Sie fröstelte bei dem Gedanken. »Gehört das auch dazu?«
Er nickte. »Ja. Wollen wir jetzt aufs Dach klettern?«
»In geliehenen, viel zu großen Latschen?« Ihr war klar, was passierte, wenn sie sie nicht anhatte.
»Lass uns doch was improvisieren.« Er zog eine Rolle mit Klebeband aus der Hosentasche. »Ich klebe die Dinger einfach fest, damit du sie unterwegs nicht verlierst.«
Stella saß auf der Treppe, während Justin vor ihr kniete und die Slipper bequem befestigte. Dann machte sie ein paar Probeschritte. Es fühlte sich komisch an, funktionierte aber. »Glaubst du wirklich, ich kann damit klettern?« Würde sie überhaupt klettern können, egal in welchen Schuhen?
»Klar. Wir klettern lediglich an der Hauswand hoch. Das Kapitol und den Leveque Tower sparen wir uns auf, bis du Schuhe hast, die wirklich passen.«
Fast könnte man meinen, diese großen Bauten seien ein Kinderspiel für ihn, wie ein Spaziergang im Park. Was der letzte Parkspaziergang ihr eingebracht hatte, konnte man ja sehen. Wenigstens brauchte sie keine Angst davor zu haben, in den Tod zu stürzen. Aber … »Was ist, wenn uns jemand sieht?«
»Wir klettern an der Rückseite hoch.« Er nahm ihre Hand und ging mit ihr nach draußen. »Und die meisten Sterblichen haben sowieso keinen Blick dafür, was über ihren Köpfen passiert.«
Sie befanden sich in Kits Hinterhof, Stella trug eine geliehene Trainingshose und ein T-Shirt. Es war November, fast neun Uhr abends, und sie fror kein bisschen. »Mir ist gar nicht kalt. Wie kann das sein?«, fragte sie vorsichtshalber, obwohl sie die Antwort schon wusste. »Gehört auch dazu, nicht?«
»Ja.« Er hielt inne. »Wie das hier. Schau genau zu. Geh ganz nah an die Wand ran und nutze jeden Vorsprung, der sich dir bietet. Deine Finger sind stärker als es deine Arme und Beine früher waren.«
Er hatte tatsächlich recht! Es funktionierte! Als sie nach dem nächstgelegenen Fensterbrett griff und sich federleicht hochzog, staunte sie nicht schlecht. Im Nu stand sie darauf, wobei sie mit weit gespreizten Fingern an den Klinkersteinen Halt suchte. Sie ertastete jede noch so kleine Kante und Vertiefung. Eine Hand an der Oberkante des Fensterrahmens, ein Fuß gegen die Wand gestemmt, kletterte sie so mühelos, als würde sie spazieren gehen. Die Kastendachrinne behinderte sie zunächst etwas, aber nachdem sie Justins Rat befolgt hatte, die Finger einzurollen und darüber hinwegzugreifen, hatte sie im nächsten Moment das Dach erklommen. Sekunden später saß sie rittlings auf dem First des Walmdachs, mit dem Rücken gegen den Kamin gelehnt. Justin saß ihr gegenüber, das Bein gegen einen Lüftungsziegel gestützt.
»Bequem?«, fragte er.
Ganz so hätte sie es nicht ausgedrückt, aber … »Geht so. Ich habe überhaupt keine Angst gehabt.«
»Stella«, erwiderte er, »es gibt kaum eine körperliche Anstrengung, vor der du in Zukunft noch Angst zu haben brauchst. Du bist schneller und stärker als jeder Sterbliche.«
Ernüchternd, diese Vorstellung. Wie würde es nun weitergehen? Sie ließ ihren Blick über die Dächer schweifen bis zu den Bäumen, die den Park markierten. Der Park, in dem sie letzte Nacht erschossen worden war. Er beobachtete das Schauspiel widerstreitender Emotionen auf ihrem Gesicht. Nun war nicht der Moment, ihr zu sagen, dass er Gedanken lesen konnte. Sie hatte Angst, aber nicht vor der Höhe, sondern vor der Zukunft. »Die Vorstellung, ein Vampir zu sein, macht dir arges Kopfzerbrechen?«
»Mit der Vorstellung könnte ich umgehen. Die Realität ist es, die mich zum Wahnsinn treibt.«
»Du bist nicht allein auf dich gestellt. Wir erschaffen keine Jungvampire, die wir übrigens Frischlinge nennen, um sie dann auf Gedeih und Verderb ihrem Schicksal zu überlassen.«
»Wer ist denn ›wir‹? Willst du damit sagen, dass es noch mehr Vampire gibt?«
»Viel
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