Unsterbliche Liebe
kommenden Samstag stand ein Besuch bei ihrer Mutter auf dem Programm, und wie um Himmels willen …? Darüber würde sie sich später Gedanken machen. Fürs Erste hatte sie genug auf dem Herzen.
Der Abend dauerte unglaublich lange, aber ihr war, als sei die Zeit wie im Fluge vergangen, nachdem sie Sam gebadet und in Dixies und Kits hinterem Schlafzimmer ins Bett gebracht hatte. Als Stella das Buch aufschlug, kuschelte er sich eng an sie. Sie las gleich drei Kapitel, einerseits weil sie ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber hatte, andererseits fürchtete sie sich davor, was im weiteren Verlauf des Abends noch alles auf sie einstürmen würde. Fragen über Fragen, auf die sie Antworten wollte, jedoch instinktiv wusste, dass ihr die Wahrheit nicht gefallen würde.
»Mom«, sagte Sam schließlich, wobei er ein Gähnen unterdrückte, »ich glaube, ich muss jetzt schlafen.«
Welch seltenes Ereignis, ebenso selten wie die Vorstellung, dass drei Vampire auf sie warteten. »Gute Nacht, Liebling.« Stella umarmte ihn und gab ihm noch einen Gutenachtkuss. »Schlaf schön.«
»Bestimmt.« Sam lächelte, küsste zurück und kuschelte sich in die Daunendecke. »Ich finde dieses Haus spitze, Mom. Danke, dass ich noch eine Nacht länger bleiben durfte.«
Sie konnte nicht bestreiten, dass er sie gekränkt hatte. Nicht, dass sie ihm deshalb Vorwürfe machte. Auch ein neunjähriger Junge sah den Unterschied zwischen alten verblichenen Häkelläufern und eleganten Veloursteppichböden. Sam müsste blind sein, um nicht zu bemerken, dass die frisch gestrichene Zimmerdecke keinen einzigen Riss hatte, ganz zu schweigen von der wohligen Wärme in einem Badezimmer mit winddichten Fenstern.
Aber das war nun einmal so. Sinnlos, Dingen hinterherzutrauern, die sie sich niemals würde leisten können. Kit und Dixie waren gut situiert, und sie arbeitete in einer Reinigung. Das war ein Unterschied. »Es ist ganz nett hier, Sam, aber der Gedanke, morgen wieder zu Hause zu sein, hat doch auch was, oder?«
Er schlang seine Arme um ihren Nacken. »Ich liebe dich, Mom.« Er küsste sie noch einmal, ließ aber ihre Frage völlig außer Acht. Natürlich hatte sie ihm seit jeher eingeschärft, nicht zu lügen.
Morgen Abend würden sie garantiert wieder zu Hause sein. Aber heute Abend würde Kit ihr erst einmal alles Wissenswerte über ihr neues Leben als Vampir erzählen, das sie schon irgendwie meistern würde. Auch wenn sie in den von Kit geborgten Schlappen herumlaufen musste, bis die versprochenen Schuhe fertig waren. Bei dem Gedanken an die Kosten schauderte es sie schon jetzt.
Aber wozu hier herumstehen und sich Sorgen machen? Ebenso gut könnte sie einfach nach unten gehen und nachfragen. »Nacht, Sam«, sagte sie und öffnete die Tür.
Justin erwartete sie bereits, oben auf der Treppe auf der oberen Stufe sitzend, mitten im Weg. Er lächelte.
»Hi«, sagte Stella. Lieber hätte sie gesagt: »Platz! Verdammt noch mal!« Aber das wäre dann doch zu unhöflich gewesen.
»Hi.« Sein britischer Akzent gefiel ihr immer wieder. »Sollen wir noch warten, bis Sam schläft?«
»Und dann?«
»Ich dachte, wir könnten uns aufs Dach setzen, um dort ein wenig zu plaudern. Dann hörst du auch gleich, wenn Sam aufwacht.« Was er sagte, klang so natürlich und selbstverständlich, aber dennoch hörte sie eine gewisse Zurückhaltung in seiner Stimme.
»Das erste Mal, dass ich so ein Angebot bekomme.«
»Interessiert?«
»Ich hätte da ein paar Fragen.« Ein paar? Sie redete schon so wie er. Hunderte schwirrten ihr durch den Kopf.
»Dachte ich mir schon fast.« Er streckte ihr die Hand entgegen. »Komm, setz dich neben mich. Ich beiße garantiert nicht.«
Sie musste lachen, als sie sich setzte. »Ist das ein Vampirwitz?«
»Ja, ein ziemlich blöder.«
Sie hatte ein Dutzend passender Erwiderungen auf Lager, sparte sich aber die Mühe. »Ich habe so eine Wahnsinnsangst.«
»Versteh ich.« Während er das sagte, zog er sie näher heran und legte den Arm um sie. »Du wärst kein Mensch, wenn du keine Angst hättest.«
»Bin ich denn noch ein Mensch?«
»Natürlich. Du bleibst immer einer.«
Sie sah zu ihm auf. »Aber ich bin ein Vampir.« Je öfter sie das Wort aussprach, umso leichter ging es ihr über die Lippen.
»Ich habe dir dein Blut genommen, nicht dein Menschsein.«
Sie dachte einen Moment darüber nach, einen langen, süßen Moment, eng in seine Arme geschmiegt. Eine wilde Sehnsucht nach mehr überkam sie, drängte alle Absichten, gute
Weitere Kostenlose Bücher