Unsterbliche Liebe
könnte sie das Haus ja vermieten …
Sie drehte die Dusche ab und griff nach einem Handtuch. Da war schon das nächste Problem: Wie sollte sie überhaupt nach Marysville kommen, wenn die Sonne schien? Tropfnass auf der Badematte stehend, würde sie es nicht lösen.
Justin war klar, dass er wie ein bekloppter Halbstarker grinste. Selbst in Bluejeans und einem Pullover, der nicht nach Kaschmir aussah, hatte Stellas Auftreten Würde. Die Würde einer schönen selbstbewussten Frau. Seiner Frau. Seiner Vampirfrau.
»Viel Spaß«, sagte Dixie süffisant.
»Ja, Mom!« Sam umarmte Stella zum Abschied. Dann trat er einen Schritt zurück und schaute mit besorgter Miene Justin direkt in die Augen. »Dass du mir aber nicht versuchst, meine Mom flachzulegen, versprochen?«
»Sam!« Stella kriegte den Mund schier nicht mehr zu, während Dixie verlegen hüstelte, ihre Augen jedoch schelmisch blitzten.
Sam schaute ihn weiter an – von Mann zu Mann – und bestand auf einer Antwort.
»Wie wär’s, Sam, wenn wir uns mal kurz unterhalten.« Er streckte ihm die Hand entgegen, der um die Familienehre besorgte Patriarch nahm sie, drückte sie aber nicht. »Kannst du mir sagen«, fragte Justin, als sie ins Wohnzimmer gingen und Stella und Dixie in der Diele zurückließen, »was du überhaupt mit ›flachlegen‹ meinst?«
Sam sog die Wange ein. »Es bedeutet so viel wie …« Er runzelte die Stirn. »Wie, na ja, du weißt schon … wenn Männer und Frauen sich näher kommen. Mom sagt, wenn zwei Menschen sich lieben, dann sind sie richtig lieb zueinander und verschaffen sich schöne Gefühle. Aber wenn die Kids in der Schule darüber reden, klingt es nur gemein.« Er runzelte abermals die Stirn. »Du wirst es mit Mom heute Abend nicht versuchen, oder?«
Eine Lüge kam nicht in Frage, ebenso wenig jedoch konnte er zugeben, dass sie an diesem Nachmittag tatsächlich miteinander wunderbar glücklich gewesen waren. Justin ging in die Hocke auf Augenhöhe. »Sam, was deine Mutter sagt, stimmt. Menschen, die sich lieben, passen besonders gut aufeinander auf.« Sam nickte. »Ich will auf deine Mutter und auf dich aufpassen.«
»Liebst du sie denn?«
»Ja, ich liebe sie.«
Darauf folgte eine weitere vorsichtig kritische Begutachtung. »Wirst du dann bei uns einziehen?«
»Nicht gleich. Aber besuchen werde ich euch öfter, um dann mit deiner Mutter auszugehen. Und ab und zu nehmen wir dich vielleicht auch mit. Würde dir das gefallen?«
Sam nickte. »Glaub schon.« Seine Stimme klang nicht ganz sicher. »Wirst du sie auch schwanger machen und dann wie mein Dad einfach verschwinden?«
Die Skepsis und die Enttäuschung in der jungen Stimme schockierten Justin. »Sam. Ich werde deine Mutter niemals schwanger machen und sie dann sitzen lassen.« Sowieso ein Ding der Unmöglichkeit, aber Sam war noch nicht beruhigt. »Ich schwöre es. Versprochen!« Sam nickte, die Augen nach wie vor unsicher. »Hast du noch mehr auf dem Herzen?«
»Hm … ja. Freitagabend, als sie mit dir ausgegangen ist, sah sie so hübsch aus, und dann war sie das ganze Wochenende über krank und …« Seine ernsten dunkelgrauen Augen verlangten nach einer Antwort.
»Deine Mutter hatte eine Art Grippe.« Gut, das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber Sam brauchte die Bestätigung, dass seine Mutter nicht krank war. »Um wieder gesund zu werden, musste sie viel schlafen, und auch jetzt braucht sie zwischendurch immer wieder mal viel Ruhe. Verstehst du das?«
Sam nickte. »Sie wird also nicht sterben?«, platzte er nach längerem Schweigen hervor.
Diese Frage konnte er mit Sicherheit beantworten. »Nein, sie wird auf keinen Fall sterben. Sie wird so lange für dich da sein, wie du sie brauchst.« Und irgendwann würde sie ihm eine diffizile Erklärung schuldig sein, aber sicher gab es Erfahrungen mit diesem Problem in der Kolonie. Wie auch immer, bis dahin hatten sie noch einige Jahre Zeit.
Sam lächelte. »Okay.«
»Hast du was dagegen, wenn wir beide jetzt ausgehen?«
»Überhaupt nicht.« Als Justin aufstand, umarmte ihn Sam spontan, was Justin zutiefst berührte. Der schmale Jungenkörper ließ weit zurückliegende Erinnerungen an seine eigene Kindheit und seinen längst verstorbenen Halbbruder wach werden. Darauf hob er Sam hoch und erwiderte die Umarmung.
»Von mir aus darfst du sie auch küssen«, flüsterte Sam, wobei Justin seinen warmen, sterblichen Atem am Ohr spürte.
Justin zog Sam noch näher an sich heran, um sein Grinsen zu verbergen.
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