Unsterbliche Liebe
»Warty Watson ist noch immer im Krankenhaus. Ihn hat es wirklich schwer erwischt.«
»Und das ist alles am Freitag passiert?« Justin hatte den Dreh raus, geschickt weiter nachzufragen.
»Sie sagen, es war ein Ungeheuer.« Sam rollte die Augen. »Im Park! Jedes Kindergartenkind weiß, dass es keine Ungeheuer gibt! Matt behauptet, sie haben was genommen, aber Carrie sagt Nein, John schwört, dass es ein Ungeheuer war.«
Vielleicht hatten sie ja wirklich bewusstseinsverändernde Drogen genommen, aber es passte zu dem, was Annie ihr früher schon erzählt hatte. Stella wandte sich an Justin. Er war sichtlich schockiert. »Was ist denn nun mit dem anderen Jungen?«, fragte er.
Sam zuckte mit den Schultern, als würde ihn das Thema bald langweilen. »Er ist immer noch im Krankenhaus, noch bis Mittwoch. Aber stellt euch vor!« Er ließ sich bewusst Zeit. »Sally Watson hat Carrie erzählt, dass Warty gesagt hat, er hat den Teufel gesehen, und dass er nach einem Priester gerufen hat, aus Angst, er kommt in die Hölle.« Sam trank einen kräftigen Schluck Saft und lächelte Stella mit orangefarbenem Schnurrbart an.
»Was für ein Wochenende«, sagte Stella, nur um überhaupt etwas zu sagen. Justin nickte. Seine Gedanken liefen offenbar in dieselbe Richtung. Sie streckte ihre Hand über den Tisch und legte sie auf Justins. Er griff danach wie nach einer Rettungsleine. Würde es ihm besser oder schlechter gehen, wenn sie das Gespräch von heute Morgen in der Reinigung weitererzählen würde? Ihre Finger verschränkten sich mit Justins.
»Oh!« Sam kriegte alles genau mit, und ihm wären beinahe die Augen herausgefallen. »Darf ich aufstehen, bitte? Ich muss Hausaufgaben machen.«
»Brauchst du Hilfe dabei?«, fragte sie.
Er sah auf ihre Hände. »Vielleicht.«
Stella zog ihre Hand zurück. »Wenn ja, sag bitte Bescheid. Später kommt Dixie noch vorbei, wie du weißt. Wenn du bis dahin fertig bist mit deinen Hausaufgaben, könnt ihr vor dem Zubettgehen noch was zusammen spielen.«
»Macht sie das Abendessen oder du?«
»Kommt drauf an. Du hattest vorhin genug, das dürfte fürs Erste reichen. Ich hab noch Pizza für dich, wenn du Hunger bekommst … und mit den Hausaufgaben fertig bist.«
Sam schwieg einen Moment und sah zwischen Stella und Justin hin und her. »Seid ihr jetzt befreundet?«
Damit hätte sie rechnen sollen. Waren sie befreundet? Fielen die Verwandlung in einen Vampir und leidenschaftlichster Sex unter die Rubrik Freundschaft? Am letzten Freitagabend war es noch Freundschaft gewesen … Während Stella noch nach einer passenden Antwort rang, fragte Justin: »Hättest du denn etwas dagegen, wenn wir es wären?«
Sam schluckte erst einmal. »Nein«, antwortete er schließlich, »ist doch cool.« Er rutschte von seinem Stuhl herunter, brachte sein Glas und den Teller zur Spüle und breitete dann seine Hausaufgaben auf dem Küchentisch aus.
Für eine Weile schien er beschäftigt, also nutzte Stella die Gelegenheit für eine schnelle Dusche. Ihr Körper roch nach Sex und Justin. Sogar spüren konnte sie ihn noch. Sie war eindeutig nicht mehr die Frau, die am Freitagabend ausgegangen war. Aber was nun? In ihrem neuen Job würde sie sich bald zurechtfinden, aber wie lange würde sie Sam noch weismachen können, sie sei auf Diät?
Sie stellte die Dusche an, möglichst ohne dabei in den Spiegel zu blicken, und stellte sich unter den warmen Strahl. Während sie ihre Brüste wusch, machte sie sich Gedanken über Justins Vorschlag. Sollte sie vielleicht doch nach England mit ihm gehen? Sam könnte dort ebenso zur Schule gehen wie hier, und Justin wohnte sicher nicht in einem Viertel mit einem Drogenschuppen am Ende der Straße und einer Familie wie den Days in unmittelbarer Nachbarschaft. Außerdem war er Arzt, und Ärzte waren reich. Höchstwahrscheinlich bewohnte er eine stattliche Villa.
Aber es war müßig, darüber nachzudenken. Sie konnte Mom nicht im Stich lassen – und sie hatte versprochen, bis zu Moms Entlassung auf das Haus aufzupassen, und bis dahin waren es noch neunzehn Jahre! Warum hatte sie sich überhaupt je auf dieses Versprechen eingelassen?
Von dem verflixten Haus einmal abgesehen, wer sollte denn Mom besuchen, wenn sie nicht mehr da wäre? Niemand.
Stella shampoonierte ihr Haar, ließ das Wasser an ihrem Körper herunterlaufen und wusch den Geruch von Justin und dem stürmischen Nachmittag ab. Bei ihrem nächsten Besuch kommendes Wochenende würde sie mit Mom reden. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher