Unsterbliche Sehnsucht
abgesehen davon gab es ohnehin nur sehr wenige Geschöpfe in M City, die dazu in der Lage gewesen wären, ihn aufzuhalten. Doch niemand eilte ihr zu Hilfe.
Er hob das Messer und machte sich ans Werk.
Ihr Gesichtsausdruck, kurz bevor alles Leben aus ihren braunen Augen wich, sagte ihm, dass sie nun klar und deutlich verstanden hatte, was er von ihr wollte. Bloß, weil er es konnte, sprach er es dennoch noch einmal aus.
»Weißt du«, flüsterte er an ihrem Hals und drückte sie ganz dicht an sich, »im Moment brauche ich eher einen Gefallen von dir, Schätzchen. Du musst für mich sterben.«
Die letzte Leiche war am Rand des Universitätscampus’ abgelegt worden. Zers zurückhaltendes Verhalten diente Nessa als Vorwarnung; was auch immer sich zugetragen hatte, eine lebendige, atmende Frau war dadurch zu einem Mordopfer geworden. Oh ja, Nessa verstand, womit sie rechnen musste.
»Bist du sicher, dass du das sehen möchtest?« Er hatte sie zweimal gefragt, und sie beide Male genickt. Bei der dritten Nachfrage machte sie ihm bildlich klar, wohin er sich seine Bedenken stecken konnte. Sie musste es sich einfach ansehen, das wussten sie beide.
Doch nichts hätte sie auf den Anblick einer toten Frau vorbereiten können. Oder darauf, wie hilflos sie sich fühlen würde. Unruhig verlagerte sie das Gewicht. Jemand – etwas – hatte die Frau einfach mit brutaler Gewalt aufgeschlitzt und nicht einmal versucht, die Leiche zu verstecken. Blut war auf der Straße verspritzt. Nun kam Nessa nicht umhin, Zer dabei zuzusehen, wie er den Tatort untersuchte. Sie hatte gewusst, dass die Gefallenen schnell und stark waren, doch über die Tatsache, dass sie manchmal auch mordeten, hatte sie großzügig hinweggesehen.
Diese Frau war schnell gestorben, und allein.
Nessa konnte ihren Liebhaber der vergangenen Nacht – den Mann, der sie so zärtlich behandelt hatte – nicht mit dem kaltäugigen Kriegsherrn mit dem versteinerten Gesichtsausdruck in Einklang bringen, der sich rücksichtslos über die MDV hinwegsetzte. Er hatte das Kommando über die Untersuchung der toten Frau – und des Tatorts – übernommen, ohne auch nur Bitte oder Danke zu sagen.
Sie sollte weglaufen. Ihr bot sich gerade die perfekte Gelegenheit dazu. Sie brauchte nur einen der Tatortermittler der MDV zu bitten, sie mit dem Auto mitzunehmen. In zehn Minuten könnte sie zu Hause sein. Doch noch während sie im Kopf den Fluchtplan durchspielte, sah Zer zu ihr herüber und verzog seine Lippen zu einem breiten anziehenden Lächeln. Oh ja … Wem wollte sie denn noch etwas vormachen? Sie beide wussten, dass sie nun jederzeit abhauen konnte, er sich aber sofort an ihre Fersen heften würde. Sie war keine freie Frau – sondern lediglich auf Bewährung draußen.
Nessa durfte die Fakten nicht außer Acht lassen. Er war ihr Entführer. Mit ihm hatte es also nichts Gutes auf sich.
»Du musst es verstehen«, waren seine Wort gewesen, als der Anruf hereinkam. Dann hatte er sie an diesen Ort gebracht.
»Kann das Zufall gewesen sein?« Vielleicht hatte die Frau ja einfach nur Pech gehabt.
Zer schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das war pure Absicht. Augenzeugenberichten zufolge ist eine Limousine die Bushaltestellen an dieser Seite des Campus’ abgefahren. Das klingt nicht nur nach irgendeinem Abtrünnigen, sondern nach Cuthah. Er hat gezielt nach ihr gesucht, und als er sie schließlich fand, muss die Hölle losgebrochen sein.«
Er musterte erst Nessa, dann die Tote. »Sie trägt denselben Nachnamen wie du, hat ebenfalls braunes Haar und braune Augen. Sie sieht zwar nicht ganz genauso aus wie du, ähnelt dir aber.«
»Möchtest du damit etwa behaupten, dass sie angegriffen wurde, weil sie wie ich aussah?«
»Nein. Ich sage bloß, dass das Aufeinandertreffen gestern kein Zufall war und dass Cuthah nicht aufgehört hat, nach dir zu suchen, nur weil du plötzlich von der Bildfläche verschwunden bist.« Er zuckte mit den Schultern. »Du bist die Wissenschaftlerin, Baby. Sag du mir doch, worauf die Indizien in diesem Fall hindeuten: auf einen zufälligen Mord, ausgeübt durch einen Abtrünnigen, oder aber hatte jemand das Pech, Nessa St. James zu ähnlich zu sehen?«
Die Frau, die achtlos auf den Boden geworfen worden war, besaß denselben Nachnamen, hatte ebenso braunes Haar und eine ähnliche Statur wie die Dozentin. Nael reichte ihr stumm den Studentenausweis der Toten. Offenbar hatte Moira St. James diese Universität besucht.
»Sie ist meinetwegen
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