Unsterbliche Sehnsucht
ganz einfach gewesen?«, fuhr Nessa fort. Die Unterstellungen der anderen Frau ärgerten sie. »Mein eigener Gentest hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Manchmal gibt es eben so etwas wie mieses Karma, Mischka. Stellen Sie sich vor, Sie wären Juniorprofessorin in einem System, gegen das der viel besagte Altherrenclub wie ein Wellnesshotel rüberkommt. Ich hab mir den Arsch aufgerissen, um so weit zu kommen, und jetzt habe ich alles verloren. Ich möchte mein Leben zurück – mein Labor, mein Büro in der Universität, meine Assistenten. Ich kann mir diesen kleinen Abstecher in einen Dämonenclub nicht leisten, denn mir läuft die Zeit davon.«
Mischka verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie können doch auch von hier aus arbeiten.«
Mit einer enormen Finanzspritze und nach einigen größeren Online-Einkäufen würde sie zwar tatsächlich dazu in der Lage sein, aber es wäre nicht dasselbe. »Ich hatte drei Tage Zeit.« Warum sollte sie es nicht aussprechen? Die Gefallenen saßen ohnehin am längeren Hebel. »Und einer davon ist nun schon unwiederbringlich um.«
»Drei Tage? Um was zu tun?«
Nessa stand vom Bett auf. Genug mit dem Herumliegen und dem ganzen Selbstmitleid. »Drei Tage, um meine Theorie über den dreizehnten Stamm zu beweisen. Das ist meine Deadline. Danach wird meine Förderung gestrichen und ich verliere meinen Job. Irgendwer hat jede Menge Unannehmlichkeiten auf sich genommen, um sicherzustellen, dass ich mich in einer Lage befinde, in der ich nicht Nein sagen kann – also, was möchte Zer wirklich von mir? Wir wissen doch beide, dass es hier nicht um Sex geht.«
Mischka sah aus, als wollte sie widersprechen, würde es jedoch nicht können. Sie musterte Nessa eindringlich. »Er möchte die Frauen, die auf Cuthahs Liste stehen. Und Sie sind eine von ihnen.«
Zer hatte nicht erwähnt, dass die Liste von Cuthah stammte. Nessa starrte Mischka an, als wäre die Frau dazu in der Lage, die unergründlichen Gedankengänge eines gefallenen Engels zu erklären. »Vielleicht gibt es noch eine andere mit meinem Namen.« Sie ging ihre Einwände einen nach dem anderen durch. »Ein falsch-positives Ergebnis, wie man das in der Wissenschaft nennt. Es könnte die verkehrte Adresse darauf gestanden haben. Vielleicht hat dieser Cuthah eine Kontrollgruppe aufgeführt.
Warum
sind all diese Namen denn überhaupt auf der Liste?«
Die andere Frau zuckte zwar mit den Schultern, antwortete aber, ohne zu zögern. »Das würde ich Ihnen gern verraten«, sagte sie. »Bis jetzt gibt es da aber nicht viel, was wir wissen. Die Personen auf der Liste haben nur das Geschlecht gemeinsam – bei uns allen handelt es sich um Frauen – und wir alle besitzen paranormale Erbanlagen. Wir sind nicht ganz menschlich. Sie könnten uns helfen, Genaueres herauszufinden, Nessa. Die Gefallenen brauchen ein paar Antworten, und Sie sind diejenige, die sie uns vielleicht geben kann. Sie besitzen das Know-how, das Rätsel zu lösen und die Erste zu sein, die es weiß.«
Eine große Verschwörungstheorie wartete darauf, entschlüsselt zu werden, und das Ganze wurde noch durch den Köder versüßt, dass
sie
ihr etwas über den dreizehnten Stamm verraten konnten. Da hatte wohl jemand Mischka Baran gut vorbereitet. Dieser Jemand
kannte
sie, und der Gedanke war erschreckend verführerisch. Sie boten ihr nun also keine Reichtümer, Geld oder ein Strandhaus in Miami mehr an, sondern genau das, was sie sich selbst ausgesucht hätte – Informationen. Den Knüller ihres Lebens.
»Sie müssen sich nur mit einem von ihnen verbünden«, fuhr Mischka fort. »Und sie dazu bringen, Ihnen zu vertrauen.«
»Was durch das Bündnis geschehen würde.«
»Genau. Und dann gehen Sie wieder an Ihre Arbeit, machen mit Ihrer Forschung weiter, nur dass Ihnen diesmal ein frischer Bestand an Proben zur Verfügung steht. Und außerdem«, sie zögerte, »werden Sie die Liste in die Hände bekommen.«
Die Liste, auf der ihr Name stand.
Die Kommandozentrale lag im Herzen des G2, sorgsam zwischen einem Gewirr aus Tanzflächen und Clubräumen verborgen. Die Hightech-Ausstattung wirkte neben den russischen Antiquitäten irgendwie fehl am Platz. Doch Zer mochte den alten Kram, also gab es keinen Grund, die Einrichtung gegen etwas Neueres auszutauschen, oder? Außerdem war er selbst mittlerweile ein über dreitausend Jahre alter Dinosaurier, also, ja, er brauchte wohl kein neues Mobiliar. Jedes Mal, wenn er mit seiner Hand über die gebeizte Oberfläche seines
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