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Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12

Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12

Titel: Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Hepsen
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alle verlassen musste. Alle, die sie
schätzte und liebte.
    Violet
öffnete den Riegel und betrat den Wohnwagen. Um sich abzulenken, richtete sie
ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Aufgabe, ihren Mantel aus dem Kleiderhaufen,
der sich auf einem der Betten türmte, herauszufinden.
    »Warum
ignorierst du mich, kleine Schwester?«, fragte Boris bekümmert. Er war dicht
hinter ihr, und sie fühlte seinen warmen Körper in der Kälte der Nacht.
    »Ich
würde dich nie ignorieren«, antwortete Violet, nahm dieses und jenes
Kleidungsstück zur Hand, nur um es wie der zu verwerfen. Baumwolle und Schafwolle saugten Gerüche geradezu auf. Und da
diese Sachen schon seit Stunden durcheinanderlagen, war es gar nicht so
einfach, ihre eigenen herauszusuchen.
    Schließlich
stieg ihr der Geruch von Heidekraut in die Nase. Violet holte tief Luft und zog
ihren Mantel unter den anderen Sachen hervor. Genau zu diesem Zweck hatte sie
ein Sträußchen getrocknetes Heidekraut am Aufschlag des Kleidungsstücks
befestigt. Aber nicht nur deshalb: Sie liebte den würzigen Geruch des
Heidekrauts, der Pflanze der Highlands.
    Sie
wandte sich zu Boris um, der stumm gewartet hatte.
    »Ich
muss euch verlassen.«
    »Ich
hatte gehofft, dass dieser Moment nicht schon so bald kommen würde.«
    In
diesem Moment war Violet beinahe dankbar für ihre Blindheit. Seine Stimme klang
so traurig, sie war sicher, sie hätte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht
ertragen können. Widerwillig schüttelte sie den Kopf. Sie durfte sich jetzt
nicht durch Gefühle aufhalten lassen. In ihrem Leben war kein Platz für
Gefühle.
    Sie
war acht Jahre alt gewesen, als sie von den Zigeunern aufgenommen worden war.
Sie hatten sie vor der Taverne gerettet, vor bitterer Armut, vor dem
Verhungern. Dreizehn Jahre lang hatte sie im Wohnwagen der Seherin gewohnt, war
mit den Zigeunern umhergezogen. Sie hatte Geige spielen gelernt, hatte Tanzen
gelernt. Sie hatte gelernt, wie man sich mit Geigespielen und Tanzen ein wenig
Geld verdiente. Und wie man stiehlt, wenn man sich sein Brot nicht auf ehrliche
Weise erwerben kann.
    Die
Seherin hatte ihr beigebracht, ihre Blindheit nicht zu fürchten und mit der
Nase zu sehen.
    Und
sie hatte überlebt, weil sie ein Ziel hatte.
    Sie
musste einen Mann töten.
    »Du
wirst mir fehlen«, seufzte Violet. Und es stimmte, sie würde Boris vermissen.
Er war ihr wie ein Bruder gewesen, der Einzige im Zigeunerlager, der in ihrem
Alter war. Boris war ihr ein guter Freund gewesen.
    »Ich
werde dich nie vergessen«, erwiderte er und legte seine warme Hand auf ihre
Schulter. »Und ich will mir keine Sorgen um dich machen müssen, kleine
Schwester. Zeig mir, was du kannst.«
    Violet
bückte sich lächelnd und zog ihren Dolch aus dem linken Stiefel. Dieses Spiel
war ihr vertraut; sie hatten es oft zusammen gespielt. Sie richtete sich auf
und zog konzentriert die Brauen zusammen.
    »Jetzt«,
befahl Boris.
    Violet
holte tief Luft: Bäume, Blätter, Schnee, Erde, Schweiß... Apfel. Sie
umklammerte ihr Messer fester. Der Geruch des Apfels kam zuerst von vorne, dann
von weiter weg, dann plötzlich von hinten... Violet fuhr herum, der Mantel
rutschte von ihren Schultern, und sie schleuderte den Dolch.
    Rasch
sprang sie zu der Stelle, wo der Apfel zu Boden gefallen war. Triumphierend hob
sie ihn auf.
    »Komm
zu uns zurück, wenn du dich gerächt hast, Viol-
ca«, bat Boris. Er reichte ihr den Mantel, zog den Dolch aus dem Apfel
und gab ihn ihr zurück. »Dann kannst du endlich anfangen zu leben.«
    Violet
wischte die Klinge an ihrem Mantel sauber. Nun, wenn sie dem Galgen entkam,
würde sie wohl nach Schottland zurückkehren. Aber sie bezweifelte, dass es dann
noch etwas gab, wofür es sich zu leben lohnte.
    Ein
Glück für sie, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach wegen Mordes gehängt
werden würde. »Leb wohl, Boris.« Der Wanderzirkus war eingetroffen.
     
    Fünfzehn Meilen weiter
östlich...
     
    »Ich,
James John Murray, Herzog von Atholl, ernenne dich, Patrick James Bruce, zu
meinem Nachfolger und neuen Oberhaupt des Nordclans der Vampire.«
    Patrick trat vor. Er hielt sich kerzengerade, und sein Blick
glitt über die Hunderte von Anwesenden, deren Augen ausnahmslos auf ihn
gerichtet waren. Gekleidet in lange schwarze Umhänge, die ihre Blöße
verhüllten, leuchteten ihre Gesichter bleich im Mondschein: die Vampire des
Nordclans, seine Leute, die er ab jetzt beschützen und führen würde. Patrick
leistete seinen Eid willig, er empfand die Verantwortung als

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