Unsterbliches Verlangen
erschreckt. »Mrs Gwyltha«, sagte Sam, indem er sich auf Stellas Armen umdrehte. »Dad muss sich James mal ansehen. Er ist verletzt. Sie haben auf ihn geschossen.«
»Ach ja?«
»Ja! Tatsache!« Er löste sich aus Stellas Armen, glitt herunter und stellte sich hin … fast stabil. »Sie haben mich gepackt, und James wollte mir helfen.«
»Verstehe.«
Stella runzelte die Stirn. Sollte Gwyltha es wagen, jetzt James’ Vergangenheit aufs Tapet zu bringen … »Er hatte vor, mein Kind umzuballern, Gwyltha!«
»Ist mir klar, Stella. Und ich werd’s auch nicht vergessen.«
»Keiner von uns vergisst das!« Justin war zurück, splitternackt stand er bis zu den Knöcheln im Heidekraut. Sie lächelte ihm zu und versuchte, möglichst nicht zu Tom zu schauen, der nur ein paar Meter entfernt ebenfalls im unvermeidlichen Adamskostüm dastand. »Ich will mal sehen, wie es ihm geht, Sam. Hast du meine Sachen, Gwyltha?«
»Im Auto. Ich habe vorne an der Straße geparkt, um zu viele Spuren zu vermeiden.«
Beide rannten sie los wie der Blitz, um nur wenige Momente später wieder zurückzukommen. Angezogen.
»Wo ist eigentlich Michael?«, fragte Sam. »Er war doch da, oder nicht? Ich hab ihn gesehen. Er war eine große, goldbraune Katze.«
»Er steht da drüben bei den Bäumen«, sagte Stella und wies mit einem Kopfnicken in Michaels Richtung. »Ich glaube, er will sich nicht zurückverwandeln, weil er keine Sachen zum Anziehen hier hat. Er schämt sich.«
»Aber wenigstens bedanken will ich mich bei ihm«, sagte Sam. »Und du, Dad, kümmere dich bitte um James.«
»Musst du mir das zweimal sagen, mein Sohn?« Justin hatte seine Tasche bereits in der Hand.
Sam grinste. »Toll, Dad!«, sagte er und rannte zu Michael.
»Ich hoffe, es ist Michael und kein echter wilder Puma«, sagte Stella.
»Oh, es ist sicher er!«, sagte Antonia. »Das weiß ich. Sam!«, rief sie ihm noch hinterher, »sag ihm, er soll hinten in unseren Van reinspringen. Dann nehmen wir ihn mit nach Hause.«
Sam lachte.
Wie leicht doch Jugendliche so manches wegsteckten! Stella warf einen Blick auf die beiden ausgestreckt daliegenden Gestalten, das Blut im offenen Lieferwagen und auf James, der nun, gestützt von Antonia und Tom, auf der Erde saß, während Justin sich über ihn beugte.
Aber wo war Judy?
23
Judy saß wirklich sehr, sehr still auf dem Rücksitz von Antonias Van, bei vollem Bewusstsein und entspannt und anscheinend ganz unberührt von den gewaltsamen und übernatürlichen Vorgängen der letzten Viertelstunde.
»Deine Ermahnung vorhin war ein ziemlicher Hammer, Stella«, sagte Antonia, während sie auf die entspannte Judy starrten.
»Ich hab sie doch nur gebeten, still zu sein und nicht pausenlos herumzuquengeln.« Stella schnürte es die Kehle zusammen. »Ich hätte nie gedacht …«
»Wie mächtig du bist?« Gwyltha war stillschweigend von hinten an sie herangetreten. »Mir scheint, Justin muss mal ein bisschen mit dir üben, wie du deine Kräfte einsetzt. Starke Emotionen bringen einen außer Kontrolle. Da solltest du beim nächsten Mal lieber aufpassen.«
Bitte! Bloß kein nächstes Mal mehr. Auch eine Vampirmutter war nicht dagegen gefeit, zu leiden wie ein Hund und vor Angst beinahe zu sterben. Auch wenn der Nachwuchs mittlerweile glücklich auf einer grünen Lichtung saß und einem Puma das Fell kraulte. Dabei schien es Sam oder seinen neuen Freund aus dem Reich der Großkatzen gar nicht zu kümmern, dass er über und über voller Blut war. »Wir müssen ihn schleunigst wegbringen«, sagte Stella. Es konnte jederzeit ein Trupp Pfadfinder aus dem Unterholz brechen oder eine Gruppe Wanderer den Trampelpfad heranmarschiert kommen.
»Sehr richtig«, sagte Gwyltha. »Bring Sam aus der Schusslinie. Wir machen inzwischen der Polizei Beine. Und hoffentlich bringt sie die Kanone, die hier rumliegt, auf eine weitere Spur – nämlich die des ermordeten Wachmanns. Damit dürften sie gehörig in die Bredouille kommen.« Sie stand auf dem Pfad und überblickte den Schauplatz wie ein General, der seine Truppen befehligt. »Stella, du übernimmst Sam, machst ihn sauber und nimmst ihm sämtliche Erinnerungen, die weg müssen. Antonia, du steigst zu Stella in den Van; Elizabeth, du auch. Justin, ist dieser Mann transportfähig?«
Ihr knappes Nicken in Richtung James zerrte an Stellas Nerven. »Dieser Mann hat mein Kind gerettet und dafür selbst ’ne Kugel abgekriegt.«
»Ja, Stella«, erwiderte Gwyltha, eine Augenbraue gezückt. »Dessen
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