Unsterbliches Verlangen
Leben wahr und rannte los. Nach wenigen Sekunden sah sie Michaels Lastwagen am Fluss stehen und gelangte mit einem Satz wieder in den Wald. Vorsichtig hielt sie Ausschau und tastete sich im Schutz der Bäume langsam voran.
Dann entdeckte sie ihn.
Michael Langton. Er stand im gleißend hellen Lichtschein aus seiner weit offenen Haustür. Groß wie immer. Nackt bis auf seine Jeans, die aussah, als hätte er sie eilig angezogen. Der Reißverschluss war zu, aber der Knopf stand offen.
Manchmal war die Sehkraft von Vampiren nicht unbedingt von Vorteil.
Michael so zu sehen – groß, schön, der nackte Oberkörper im Dunkel strahlend – vergrößerte ihre Enttäuschung von vorhin und steigerte ihr Verlangen. Madam hatte ihre Bedürfnisse nicht einmal ansatzweise befriedigt.
Er hob den Kopf, als schnupperte er, sah langsam von einer Seite auf die andere und dann, als er direkt in ihre Richtung sah, fragte er: »Was sind Sie?«
Sie zitterte, eine Reaktion, die sie seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt hatte. Fast fürchtete sie schon, sie könnte erröten, wenn das denn noch möglich gewesen wäre. Etwas zumindest ahnte er.
Sie trat unter den Bäumen hervor, gemächlich wie ein Mensch. »Ich bin eine Vampirin.«
Ehe sie Zeit hatte, über ihre möglicherweise ziemlich törichte Reaktion nachzudenken, kam er einen Schritt auf sie zu. »Was?«
Sie machte ebenfalls einen Schritt auf ihn zu. »Und was sind Sie?« Ihre Frage schien rein akademisch.
Er lächelte, während seine dunklen Augen im Mondlicht leuchteten. »Ich bin die örtliche Legende.«
Ihr fiel ein weiterer Ausdruck von Sam ein: klar wie dicke Tinte. Warum um alles in der Welt hatte sie ihre Natur preisgegeben? Warum stand sie mit einer Armeslänge Abstand vor ihm? Warum wollte sie von diesen Armen umschlungen werden?
»Sie waren eben schon mal hier?«
»Sie aber nicht.« Wenn sie so weitermachten, würde es bald dämmern, und sie würden immer noch Banalitäten austauschen.
Er nickte, während sie überlegte, ob es einen vernünftigen Grund gäbe, nicht auf der Stelle abzuhauen. Am besten gleich zurück nach Yorkshire. Aber allein der Gedanke, ein so perfektes Exemplar von Mann, diese warme Haut, die verführerischen Muskeln und die kräftige Brust, hier alleine zurückzulassen, schien eine Sünde.
Ob sie wollte oder nicht, Michael Langton hatte sie in seinen Bann geschlagen.
»Wenn Sie schon mal da sind, wollen Sie nicht auf eine Tasse Tee hereinkommen?«
Sie musste lächeln. »Nicht gerade das Getränk meiner Wahl.«
Darauf lachte er aus voller Brust, ein Lachen, das vor Sicherheit und Selbstvertrauen geradezu strotzte. Scheinbar brachte ihn die Begegnung mit einer Vampirin nicht im Geringsten aus der Fassung, und sie wäre zweifelsohne gut beraten, sich aus dem Staub zu machen. Und zwar schleunigst.
Sie trat näher.
»Also kommen Sie rein.«
Ein Blick in seine Augen genügte, um zu erkennen, dass er sie nicht nur auf ein kleines Tässchen Tee einlud. Sein ganzer Körper schien gespannt vor Begehren, Verlangen und Erregung.
Darin waren sie eins.
»Warum?«
Sein Grinsen überzeugte sie. Das Grinsen und das wilde Leuchten in seinen Augen. »Warum waren Sie vorhin schon mal hier?«
»Ich hatte Hunger.« Wenn sie schon unvorsichtig war, dann gleich richtig.
Mit einer anmutigen Geste forderte er sie auf einzutreten. Sein nackter, muskulöser Arm war mit einem goldenen Flaum bedeckt, der im Licht glänzte.
Antonia blieb im Gehen noch einmal kurz stehen, sah in seine beinahe wilden Augen und lächelte, die Brust gespannt und die Nerven bis in die Spitzen erwartungsvoll aufgeladen. Mit drei Schritten war sie eingetreten, drehte sich zu ihm um, als er die Tür hinter sich zuzog. Er grinste und lehnte sich mit einer seiner breiten Schultern gegen den Türstock, während er die Arme auf seiner grandiosen Brust verschränkte.
Er konnte von Glück sagen, dass sie ihn nicht am Kragen packte und kurzerhand zu Boden warf. Welcher Mann wollte es sich leisten, mit einer Vampirin zu spielen? Es sei denn natürlich, er hielt sie für nicht ganz bei Verstand oder er selbst war ein durchgedrehter Fanatiker.
Seine Augen waren nicht die eines Fanatikers.
Kein Fanatiker hatte volle Lippen, die sich am Mundwinkel kräuselten, sodass in der linken Wange ein Grübchen entstand. »Sie haben mit mir als Abendessen geliebäugelt?«
»Ich hatte nur Sie als Mensch im Auge, wirklich.«
Wieder dieses herrliche Lachen. Eine pralle Mischung aus Lust an der Freude,
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