Unsterbliches Verlangen
Morgen warten«, erwiderte er. »Wo hat denn Antonia ihren Blutvorrat?«
»In Orchard House. Sie meinte, das wäre sicherer als hier.«
Er lächelte, das Gesicht an ihrem Haar. Seine Vampirin lernte dazu.
Sie waren gerade eingeschlafen, als jemand nachdrücklich gegen die Tür pochte und Justin Tom flüstern hörte: »Mach auf!«
10
Antonia sah vom Computer auf. Sie kam sich ein bisschen vor wie eine Spionin, hatte aber nur mal schnell gegoogelt und die zahllosen Einträge und Webseiten über den Puma von Surrey durchgesehen. Michael hatte keine Witze gemacht. Er war tatsächlich die örtliche Legende.
Neugierig machte sie die Tatsache, dass man ihn anscheinend auch in Yorkshire gesehen haben wollte. Hatte er mal da oben gewohnt? War das möglich? Sie könnte ihm schon mal begegnet sein, auf der Jagd oder bei einem ihrer Läufe, ohne dass er ihr aufgefallen wäre. Nur war sie sich sicher, dass Michael niemals ihren Blicken entgehen würde. Er war ihr doch hier sofort aufgefallen, sowohl als Mensch wie auch als die herrliche Wildkatze, als die er durch die Wiesen streifte.
»Was zum Teufel machst du denn da?« Michael, der nur diese wahnsinnig enge Jeans und sonst so gut wie nichts anhatte, kam auf sie zu. Ziemlich verärgert.
Es sah vielleicht so aus, als würde sie herumschnüffeln, aber … »Ich hab mich über dich informiert.«
Er stand dicht hinter ihr, linste über ihre Schulter auf zwei verschwommene Fotos auf dem Bildschirm und einen Bericht über eine Begegnung mit ihm von 1967. »Ach, das!« Er klang empört. Ob noch immer wegen ihr oder wegen der entschieden unschmeichelhaften Fotos war ihr nicht klar.
»Ich war einfach neugierig«, sagte sie, »und wollte sehen, ob ich was herausfinden kann. Du bist ein Phänomen, das viel herumkommt.«
Er legte ihr seine Hand auf die Schulter, und sie spürte die Wärme durch den Stoff ihrer Bluse. »Du kannst nicht alles glauben, was du liest.«
Sie lächelte und spürte, wie seine Wut allmählich verrauchte. »Das sagst du mir! Denk doch mal an den all den Unsinn, der über Vampire geschrieben wurde.«
Er holte sich einen Küchenstuhl und setzte sich neben sie. »Hast du denn was Interessantes rausgekriegt?«
»Jede Menge! Sag mal –« Seine Nähe fühlte sich gut an. »Bist du da wirklich überall gewesen, in Yorkshire, Devon und den Midlands, oder gibt es in diesen Gegenden Gestaltwandler wie Sand am Meer?«
»Es gibt ein paar von uns. Manche verbleiben fast immer in Tiergestalt. ›Sie sind verwildert‹, so nennen wir das.« Er lächelte. »Die meisten von uns leben als Menschen und verwandeln sich, wenn es sie überkommt. Und, ja, es stimmt, ich bin in Yorkshire und Devon gewesen, in den Midlands, Kent und in East Anglia und in den achtziger Jahren sogar eine Zeitlang in Schottland. Da wir viel länger als Menschen leben und langsamer altern, können wir nicht allzu lang am selben Ort bleiben.«
»Das Problem haben wir auch.«
»Genau!« Anscheinend war ihm dieser Gedanke bisher noch nicht gekommen. »Sicher! Bist du deshalb hierhergezogen?«
»Ja. Die Galerie in York hab ich fast zwanzig Jahre gehabt und bin ungern weggegangen. Aber man kann halt nicht ewig behaupten, Yoga oder verschiedene Meditationstechniken würden einen jung halten.«
»Klingt vielleicht egoistisch, aber ich bin richtig froh, dass du umziehen musstest.« Er legte den Arm um ihre Schultern und glitt mit den Lippen über ihre Wange. »Sehr, sehr froh.«
»Ich, ehrlich gesagt, auch.« Und wie. Vor ihnen lag ein unüberschaubares Gewirr von Schwierigkeiten. Gwyltha würde angesichts einer Verbindung mit einem Gestaltwandler sicher eine mittelschwere Krise bekommen, aber Gwyltha war oben in Yorkshire. Sie selbst, Antonia, war in Surrey mit einem Mann, der ihr seine Liebe geschworen hatte und sie in einem warmen Bett erwartete. Nachdem er mit der Arbeit an diesem Brennofen fertig war.
Sie küsste ihn zurück. »Ich wollte dich in zehn Minuten wecken.«
»Ich glaube, ich bin auf meinen Brennofen programmiert.« Er nahm sie bei der Hand. »Komm mit und schau mir bei der Arbeit zu.«
Als Sterbliche hätte sie einen Schweißausbruch bekommen, so heiß war es in dem Schuppen. Dafür erwärmte sich ihr Körper, was aber vielleicht auch an der Nähe zu Michael lag. Wellenartig schlug ihr die Hitze von dem verriegelten Ofen in der Mitte des Raums entgegen. Wie heiß musste es in seinem Inneren wohl sein? Mit den handgemauerten Ziegelöfen, an die sie sich noch von ihrer Kindheit
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