Unsterbliches Verlangen
dem er im Lauf der Jahrhunderte schon so manches Glas geleert hatte. »Danke, dass du mich überredet hast, noch einen Tag zu bleiben. Es war doch besser, als gleich wieder nach Yorkshire zurückzufahren und mir den ganzen Tag über nur Sorgen um Stella und Sam zu machen.«
»So fährst du erst morgen zurück und fängst dann an, dir Sorgen zu machen.«
»Morgen hab ich zwei Operationen. Das sollte für genügend Ablenkung sorgen.«
»Und? Funktioniert das?«
»Verflixt noch mal, nein! Ich mach mir trotzdem Sorgen, vor allem wegen der Sache mit dem Auto und diesem verdammten Diebesgut, aber wir haben ja alles geregelt, und Stella hat jede Menge gesunden Menschenverstand. Vom Kopf her weiß ich ja, dass ihnen nichts passieren kann, nur das Herz stellt alles infrage. Höchstwahrscheinlich weil ich sie vermisse.« Er lachte trocken. »Wirklich komisch. Als ich Stella noch nicht kannte, meinte ich, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen. Jetzt frage ich mich, wie ich all die Jahrhunderte ohne sie und Sam überhaupt existieren konnte.«
»Ähnlich geht es mir mit Lizzie. Es gibt Zeiten, da treibt sie mich in den Wahnsinn, trotzdem schulde ich Vlad bis in alle Ewigkeit Dank dafür, dass er sie und Heather gerettet hat. Was, wenn er einfach vorbeigegangen wäre und sie da sitzen gelassen hätte?«
»Hat er aber nicht.«
Beide fielen in ein tiefes Schweigen und genossen die Verbundenheit unter zwei sehr alten Freunden, die nicht unbedingt auf Gespräche angewiesen waren, und es bedurfte auch keiner Gespräche mehr über die ehemals sehr gemischten Gefühle Justins gegenüber dem früheren Fürsten der Walachei.
Tom griff nach der Karaffe aus böhmischem Glas und reichte sie, nachdem er sein Glas neu gefüllt hatte, an Justin weiter.
»Ich hoffe mal, es geht ihnen gut«, sagte Justin, indem er sich nachschenkte. »Sobald ich zurück bin, muss ich Gwyltha sehen. Ich will mit ihr über diesen verflixten Autodieb reden. Sie wird es so sehen wie ich. Wie sonst?« Sollte sie dennoch anderer Meinung sein, würde es Krach geben. Stella hatte niemanden attackiert, sondern lediglich ihr Kind verteidigt. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.
»So vernarrt wie die in Sam ist, ist die imstande und vergisst unseren Kodex und ihre Antipathie gegen den Süden und kommt selbst runter, um sich den Kerl höchstpersönlich vorzuknöpfen. Du kannst beruhigt sein, Justin.«
Tom hatte recht. Zwar lebte die Kolonie nach dem Motto, einem Sterblichen niemals zu schaden, doch wer andere vorsätzlich angriff, konnte nicht damit rechnen, geschützt zu werden. »Wo er wohl hockt? Ich würde ihn mir auch gerne mal zur Brust zu nehmen.«
»Das werden wir wohl nie erfahren. Wenn er nur einen Funken Verstand hat, versteckt er sich.«
Mitten in einer ihrer geselligen Schweigephasen, in denen nur das entfernte Brummen des Verkehrs zu hören war, klingelte Justins Handy. »Entschuldige bitte, Tom. Stella ist dran«, sagte er nach einem Blick auf das Display. Er ging auf die kleine Terrasse hinaus, die zum Garten führte.
»Justin!« War sie verängstigt oder nur in Eile?
Er bildete sich ein, er hörte Toms Handy klingeln, aber ihn beschäftigte die Sorge um seine Frau. »Wie geht’s in Bringham?«
Sie erstattete ihm Bericht.
»Ich fahr sofort wieder zurück!« Das Dorf war eine Brutstätte des Bösen.
»Ich bitte dich, Justin, nein.«
»Warum denn nicht, um Himmels willen? Was soll denn noch alles passieren! Allmählich müsste es doch reichen, jeden zu überzeugen, sofort abzuhauen. Wenn Antonia auch nur einen Funken Verstand hat, stiftet sie das Haus der Wohlfahrt und sagt diesem Drecksnest ein für alle Mal adieu.«
»Hör mir zu, Justin, bitte.«
Er hörte zu. »Der schreckliche Zwischenfall von Freitag hat sich erledigt. Die Juwelen sind bei der Polizei, und unser Auto sieht niemand mehr. Ihr beide, du und Tom, habt alles perfekt geregelt. Sam hat einen Riesenschreck bekommen, ich auch, und jetzt geht’s uns wieder gut. Ich hab ihm doch versprochen, wir bleiben zwei Wochen. Und außerdem, dieser Ganove wird kaum um die Dörfer schleichen, um mir und Sam aufzulauern. Der wird von der Polizei gesucht und hält sich hübsch im Verborgenen.«
In diesem Punkt würde er ihr sicher recht geben, aber durch diese neue Entwicklung hatte sich die Lage nochmals zugespitzt. »Das allein ist es nicht. Bei euch wurde eine Tote gefunden!« Bei Abel, es war wie in einem Roman von Agatha Christie: Die Tote im Luftschutzbunker!
Er spürte ihr
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