Unsterbliches Verlangen
krümmen würde. Ich bin ein Vampir, kein blutsaugendes Ungeheuer.«
»Dann habt ihr aber ein hübsches Imageproblem.«
»Nur bei den Ahnungslosen, und eins lass dir gesagt sein, ich enthülle meine Natur normalerweise nicht jedem. Selbst von meinen Liebhabern wussten nur die allerwenigsten Bescheid.«
»Mir hast du’s gleich in der ersten Nacht gesagt.«
»Ja, worauf ich mich den ganzen nächsten Tag gefragt habe, wie ich nur so dumm und spontan sein konnte. Da hab ich natürlich noch nichts von deiner Doppelnatur gewusst.«
»Wir sind ein schönes Paar, nicht wahr?«
»Ich glaube, wir hätten’s beide schlimmer treffen können.« Als Nächstes würde er ihr wohl einen Riesenklunker an die linke Hand stecken wollen, wie es Tom und Elizabeth letztes Wochenende gemacht hatten. Die Vorstellung war gar nicht mal so übel.
»Soll ich das als ein Ja verstehen?«
»Ein Ja zu was?«
Er ließ ein Lachen ertönen, warm, sexy und tief aus dem Bauch heraus. »Was du willst, Darling. Alles.«
Ihr Glück war grenzenlos und lächerlich, hatte sie es doch einem Sterblichen – gut, einem Gestaltwandler mit langer Lebensspanne – zu verdanken. Es war Jahre, Jahrhunderte her gewesen, seit sie sie sich unbeschwert glücklich gefühlt hatte. Fast als hätte sie zuviel Met auf nüchternen Magen getrunken, ein Fehler, den sie nur einmal gemacht hatte. War Michael ein Fehler? Nein! Jede einzelne Faser ihres Instinkts sagte ihr, dass er ehrlich war, aufrichtig und über die Maßen sexy.
Und er liebte sie.
Nicht zu vergessen!
Als ob sie das könnte!
»Also wo fahren wir jetzt hin, und was wolltest du mir noch sagen?«
»Wir fahren zum Silent Pool. Sind fast da. Hoffentlich stören nicht Hundertschaften von Ausflüglern die Ruhe.«
So viele waren es nicht, nur ganz wenige Spaziergänger ergingen sich an einem der friedlichsten Orte, den Antonia in den letzten paar Hundert Jahren je gesehen hatte. Dachte sie sich die geparkten Autos, die Flugzeuge am Himmel und die Mülleimer mal weg, dann fühlte sie sich in die Zeit ihrer Kindheit zurückversetzt oder zumindest in den Zeitraum um das Jahr 1500.
»Es ist wunderschön!«
»Freut mich, dass es dir gefällt«, sagte Michael, während er auf sie zukam und den Arm um ihre Schultern legte. »Lust auf einen kleinen Rundgang?«
Sie waren zusammen durch die Nacht gerannt, warum also nicht einen Bummel bei Tag wagen? Sie passte sich seinen Schritten an – oder passte er sich ihr an? –, und zusammen gingen sie ganz an den See heran und dann am Ufer entlang, ehe sie in einem merkwürdigen kleinen Sommerhäuschen, das definitiv nicht aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammte, Rast machten.
»Jetzt versteh ich den Namen. Silent Pool. Alles hier ist still. Kein Plätschern, nicht einmal Vogelgezwitscher.« Unheimlich. Elizabeth könnte eine Erklärung haben, aber … »Ist es ein magischer Ort?«
»Nicht unbedingt. Einer Legende zufolge soll hier eine Jungfrau ertrunken sein, die sich vor Nachstellungen durch den bösen König Johann retten wollte, und seit der Zeit ertönte hier nie mehr ein Laut.«
»Eine hübsche Geschichte und gar nicht so unwahrscheinlich.«
»Kanntest du König Johann?«
»Nicht persönlich, aber ich habe seine Herrschaft erlebt. Und die seines Bruders war nicht viel besser. Ja, es gab das päpstliche Interdikt in der Zeit von König Johann, und das erschwerte die Lage für viele ungemein. Überhaupt war das Leben damals schwer. Gunst und Schutz eines Mächtigen erleichterte es manchen, aber für die breite Masse der Bevölkerung war das Leben hart und meistens sehr kurz.«
Er drückte ihre Schulter fester. »Gehörtest du damals auch zu den Armen?«
»Ich reiste als Hebamme über Land und war berühmt für mein Können. Reich war ich nicht, kam gerade so über die Runden, aber ich hatte die Unterstützung durch die Kolonie. Wir hatten den Vorteil, unsterblich zu sein. Seuchen können uns nichts anhaben.«
»Die Kolonie?«, fragte Michael.
Mist! Die Liebe machte sie wirklich sehr unvorsichtig. »In England gibt es noch mehr Vampire, und wir unterstützen einander im Notfall.«
»Verstehe.« Eher nicht, meinte sie, jedenfalls nicht wirklich. »Wie viele sind’s denn?«
»Michael, ich bin gerne bereit, mich dir gegenüber zu offenbaren, aber über andere sage ich nichts.« Er nickte verständnisvoll. Warum auch nicht, lebte er doch selber im Verborgenen.
»War nur ’ne Frage. Ich bin von Natur aus neugierig.«
Ihr lag ein Spruch auf der Zunge,
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