Unsterbliches Verlangen
erklären - nicht einmal mit einem Wunder.
Deshalb ließen sie alle - sogar die Bediensteten - denken, Pru wäre tot, und hatten sogar ihr Begräbnis arrangiert, allerdings ohne Aufbahrung. Währenddessen hatten sie und Chapel sich in seinem Zimmer versteckt, wo sie die Stunden, die sie wach gewesen waren, damit verbracht hatten, alle Genüsse zu erkunden, die ihre Körper zu bieten hatten. Es war so wundervoll, dass Pru sich beim besten Willen nicht dazu bringen konnte, ein schlechtes Gewissen zu haben!
Sie lernte unter anderem, wie sie sich aneinander nähren konnten. Langfristig konnten sie sich auf diese Weise nicht am Leben erhalten, aber es reduzierte ihren Bedarf an Menschenblut doch sehr. Chapel hatte sie mit nach London in ein Bordell genommen, dessen Betreiberin mit ihresgleichen vertraut war, und hatte ihr beigebracht, wie sie sich richtig an Menschen nährte.
Die Prostituierten dort wirkten hocherfreut, ihn zu sehen, was Pru gleichermaßen amüsierte wie ärgerte. Dort hatte er ihr erzählt, dass er in jener Nacht in dem Bordell gewesen war, als er sie von dem Gift befreite. Ohne das Blut dieser Frauen hätten sie es beide niemals lebend aus dem Keller geschafft.
Das allein hatte Pru beschwichtigt und mit den Freudenmädchen versöhnt. Außerdem hatte sie es nicht nötig, eifersüchtig zu sein. Sie wusste, wie viel sie diesem Mann bedeutete und dass keine Frau ihr gefährlich werden konnte.
Das Blutsaugen gestaltete sich einfacher, als sie gedacht hatte. Zumeist gehorchte sie schlicht ihrem Instinkt. Und sobald sie gelernt hatte, nicht mehr fortwährend darüber nachzudenken, kam es ihr beinahe natürlich vor.
»Willst du, Severian de Foncé, diese Frau zu deinem Eheweib nehmen?«, fragte Molyneux. »Bis dass der Tod euch scheidet?«
»Das hat der Tod schon versucht«, sagte Chapel mit einem Grinsen zu Pru. »Und es ist ihm nicht gelungen.«
Pru lachte, während Molyneux die Augen verdrehte. »Ich glaube, ich fand es schöner, als du noch nicht versuchtest, Witze zu machen, mon ami. Beantworte die Frage!«
Chapel sah Pru mit einem Blick an, der so voller Liebe und Wärme war, dass es beinahe weh tat. »Ja, ich will.«
Gütiger Gott, sie hatte tatsächlich den Atem angehalten! Was dachte sie denn? Dass er Nein sagte?
Pater Molyneux stellte ihr dieselbe Frage, und sie sagte sofort ja, ohne Scherze zu machen.
Dann küsste Chapel sie, worauf alles andere unwichtig wurde.
»Muss ich dich jetzt Madame de Fonce nennen?«, fragte Georgiana später, als sie ein Abendessen bestehend aus kaltem Fleisch, Salaten, Brot und Käse zu sich nahmen - und natürlich würde noch eine Torte folgen.
Pru rümpfte die Nase. »Nein, wohl eher nicht.«
»Gefällt dir mein Name nicht?« Ihr Ehemann lachte, bevor er an seinem Wein nippte.
»Nicht einmal du benutzt deinen Namen. Warum sollte ich es tun?«, fragte sie, während sie eine kleine Tomate von seinem Teller aufpickte und sie sich in den Mund steckte. Sie war köstlich. Alles Essen schmeckte ihr jetzt so viel besser - als wäre auch ihr Geschmackssinn deutlich ausgeprägter.
Nach dem Abendessen nahmen sie von den anderen Abschied - tränenreich zumeist. Pru und Chapel würden den Rest der Nacht und den folgenden Tag in London verbringen, bevor sie nach Paris aufbrachen. Dort war es sicherer für sie, denn niemand würde Pru erkennen, die ja angeblich tot war.
Sie versprach Caroline, dass sie zurückkehrten, wenn das Baby kam, und dem Rest ihrer Familie, sie käme, so oft sie könnte. Natürlich waren auch alle jederzeit in Paris Willkommen, sagte sie. Matilda schien die Idee zu gefallen, konnte man in Paris doch so schön einkaufen.
»Pass auf mein kleines Mädchen auf!«, sagte ihr Vater zu Chapel, als sie sich die Hände schüttelten. Die Kluft zwischen den beiden war längst überwunden. Und obwohl ihr Vater immer noch nicht recht mit der Tatsache vertraut war, nun eine unsterbliche Tochter zu haben, überwog seine Freude, sie gesund und lebendig zu sehen, alles bei weitem, was er sonst noch empfinden mochte. Sie wusste, dass er sich für sie freute.
Eines Tages müsste sie sich der Sterblichkeit ihrer Famille stellen, aber, nicht heute und noch für eine ganze Zeit nicht. Das war etwas, das jeder im Laufe seines Lebens ertragen musste. Sie indessen hätte das Glück, die Erinnerungen an sie in den Kindern und Kindeskindern weiterleben zu sehen. In gewisser Weise würde sie sie alle kennenlernen, selbst wenn es zunächst schwierig werden dürfte, ihnen
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