Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unten Am Fluss - Watership Down

Titel: Unten Am Fluss - Watership Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
Vom Netzwerk:
murmelte er so dumpf, daß Hazel die Worte kaum verstehen konnte. »Man muß gehen, wenn man gerufen wird.«
    Hazel war so erschrocken, daß er seine fünf Sinne nicht mehr beisammenhalten konnte. Wie auf der Flußböschung wurde seine Umgebung unwirklich und traumhaft. Wer – oder was – rief Bigwig beim Namen? Wie konnte irgendein lebendes Geschöpf an diesem Ort seinen Namen kennen? Nur ein Gedanke beherrschte ihn – Bigwig mußte daran gehindert werden, hinauszugehen; denn er war hilflos. Er krabbelte neben ihn und drückte ihn an die Seite des Grabens.
    »Bleib, wo du bist«, sagte er keuchend. »Was immer das für ein Kaninchen ist, ich werde selbst nachsehen.« Dann zog er sich, wobei seine Beine fast unter ihm nachgaben, ins Freie hinauf.
    Einige Augenblicke konnte er wenig oder nichts sehen; aber die Gerüche nach Tau und Holunder waren unverändert, und seine Nase stieß an kühle Grashahne. Er setzte sich auf und blickte sich um. Es war kein Geschöpf in der Nähe.
    »Wer ist da?« fragte er.
    Stille, und er wollte schon wieder sprechen, als die Stimme rief: » Zorn! O zorn! «
    Es kam aus der Hecke auf der Feldseite. Hazel wandte sich dem Ton zu und machte in wenigen Augenblicken unter einem Büschel Schierling die zusammengesunkene Gestalt eines Kaninchens aus. Er näherte sich ihm und sagte:
    »Wer bist du?«, aber es kam keine Antwort. Während er noch zögerte, vernahm er hinter sich eine Bewegung.
    »Ich bin hier, Hazel«, sagte Dandelion mit würgendem Keuchen.
    Sie traten gemeinsam näher. Die Gestalt bewegte sich nicht, als sie herankamen. In dem blassen Sternenlicht sahen sie beide ein Kaninchen, das so wirklich wie sie selbst war: ein Kaninchen im letzten Stadium der Erschöpfung, die Hinterbeine hinter seinem niedergedrückten Rumpf lang ausgestreckt, als wären sie gelähmt, ein Kaninchen, das das Weiße in seinen Augen von einer Seite zur anderen rollte, ohne etwas zu sehen, das keine Erlösung aus seiner Angst fand und elend an einem aufgerissenen und blutigen Ohr leckte, das ihm schlaff über das Gesicht hing, ein Kaninchen, das plötzlich aufschrie und heulte, als wollte es die Tausend anflehen, von allen Seiten zusammenzuströmen und es von dem unerträglichen Elend zu befreien.
    Es war Hauptmann Holly von der Sandleford-Owsla.
20. Eine Honigwabe und eine Maus
Sein Gesicht war das von jemandem, der eine lange Reise unternommen hat.
Gilgamesch-Epos
    Im Sandleford-Gehege war Holly ein Kaninchen von Bedeutung gewesen. Der Threarah brachte ihm großes Vertrauen entgegen, und er hatte mehr als einmal schwierige Aufträge mit großem Mut ausgeführt. Im Frühjahr, als ein Fuchs ins benachbarte Unterholz gezogen war, hatte Holly ihn mit zwei oder drei Freiwilligen mehrere Tage überwacht und alle seine Bewegungen gemeldet, bis er eines Abends so plötzlich verschwand, wie er gekommen war. Obgleich er aus eigenem Antrieb beschlossen hatte, Bigwig zu verhaften, stand er nicht im Ruf, rachsüchtig zu sein. Er ließ sich nichts vormachen, wußte genau, wann pflichtgemäß gehandelt werden mußte, und tat es von allein. Ein prächtiger Kerl, anspruchslos, gewissenhaft, dem es ein wenig an dem kaninchenhaften Übermut mangelte, war er sozusagen der geborene stellvertretende Kommandeur. Es wäre sinnlos gewesen, ihn zu überreden, das Gehege zusammen mit Hazel und Fiver zu verlassen. Ihn überhaupt in Watership Down zu finden war daher erstaunlich genug. Aber ihn in so einer Verfassung zu finden war beinahe unglaublich.
    In den ersten Augenblicken, nachdem sie das arme Geschöpf unter dem Schierling entdeckt hatten, waren Hazel und Dandelion so verblüfft, als wären sie unter der Erde auf ein Eichhörnchen oder auf einen Bach, der bergauf floß, gestoßen. Sie glaubten, ihren Sinnen nicht zu trauen. Die Stimme im Dunkel hatte sich nicht als übernatürlich erwiesen, aber die Wirklichkeit war entsetzlich genug. Wie konnte Hauptmann Holly hier, am Fuße des Hügellandes, sein? Und was konnte ihn – gerade ihn – in diesen Zustand gebracht haben?
    Hazel riß sich zusammen. Gleichgültig, welche Erklärung es geben mochte, das Wichtigste war zunächst einmal, eines nach dem anderen anzupacken. Sie waren zu nächtlicher Zeit in freiem Land, fern von jeder Zuflucht, wenn man von dem überwachsenen Graben absah, mit einem Kaninchen, das nach Blut roch, das unbändig weinte und aussah, als könnte es sich nicht bewegen. Es konnte sehr gut in diesem Augenblick ein Wiesel auf seiner Spur sein. Wenn sie ihm

Weitere Kostenlose Bücher