Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
dumm und wusste, dass er so schwer verletzt war, dass kein Heiler ihn mehr retten konnte. Seine Nieren mochten unverletzt sein, aber die Eingeweide waren bestimmt an mehreren Stellen durchstoßen. Als das Hufgetrappel sich entfernte, legte er sich auf die Seite. Vorn quoll Blut aus seiner Lederrüstung. Er wunderte sich noch, wie leicht die Lanze diese durchstochen hatte. Er hatte nicht einmal einen großen Ruck verspürt, als sie ihn am Rücken traf. Sie musste unglaublich spitz und scharf gewesen sein, wenn sie dies vollbrachte. Er staunte über seine letzten Gedanken, die so banal waren, wie sie nur sein konnten. Was scherte ihn die Machart der Lanze, die ihn getötet hatte? Er musste über sich selbst lächeln. Dies war der Moment, in dem er die Kälte des Todes spürte, die ihn langsam aber sicher ergriff. Seine inneren Blutungen waren so stark, dass sich das Blut der durchtrennten Ader langsam in seinen Bauchraum ergoss und diesen ausfüllte. Dort, wo er sich nun mit der rechten Hand die Austrittswunde hielt, floss nicht mehr viel heraus. Einen kurzen Augenblick beruhigte dieser Umstand seinen langsam entschwindenden Geist, aber schnell wurde er sich wieder seines Schicksals bewusst. Doch noch etwas anderes war um ihn. Er erblickte nun den Schnitter, wie sie Chammon in dem Dorf genannt hatten, in dem er aufgewachsen war. Auch er hatte schon als Kind nicht daran glauben wollen, dass es ihn wirklich gab. Spielten ihm seine Sinne einen Streich? Er hatte schon viele Männer sterben gesehen. Doch noch nie war diese schreckliche Gestalt erschienen, die ihm eine furchtbare Angst machte. Er wollte schreien, doch kein Wort kam mehr über seine Lippen. Er wollte sich abwenden und die Augen vor dem Tod schließen, aber auch dies gelang ihm nicht und er sah, wie Chammon etwas Helles aus ihm herauszog. Ein fürchterlicher Schmerz durchfuhr ihn und dann wurde es dunkel. Er starb. Doch auf seinem Gesicht war das Grauen wie eingebrannt in den Zügen zurückgeblieben. Das Grauen, das durch Unverständnis bei den schwachen Geistern noch stärker entfacht wurde als bei jenen, die es erwarteten und verstanden.
An diesem Tage war Chammon unter die Menschen der Thainlande gekommen. Viele sahen ihn und hielten ihn für den Verderber selbst. Aber Chammon war nur das, was sie sehen wollten. So war es schon in alter Zeit und so würde es immer sein. Doch sein Werk war vielleicht das edelste unter allen. Er geleitete die Lichter nur, zu richten, was damit geschehen sollte, wenn sie nach Hause kämen, hatte ein anderer.
Whenda und ihre Reiter erkannten aus der Ferne ebenfalls den Geleiter der Lichter. Vielen der Alten wurde es Angst und Bange, als sie ihn erblickten. Als Whenda erfasste, was in den Menschen vom Falkenstein vorging, als diese den Chammon erblickten, rief sie ihnen sogleich Mut zu.
»Sehet den Geleiter der Lichter, meine Freunde, und stellt ihn euch nicht so vor, wie ihr seit Kindestagen denkt, dass er sein müsse. Stellt euch vor, er sei eurer Vater oder eure Mutter, gekommen, um euch heimzuholen. Tut es und ihr werdet ihn begreifen. Tut es nicht und ihr werdet ihn fürchten, jetzt und immerdar. Seht hin!«, schrie Whenda laut jene an, die sich von Chammon abgewandt hatten, um seinen Anblick nicht länger ertragen zu müssen. »Er ist es, der uns allen Heil bringt. Denn er führt jene nach Hause, deren Zeit abgelaufen ist.« Und mit Freude erkannte sie, dass in manchen Gesichtern ihrer Krieger nun Freude einkehrte. Zuerst war es mehr ein Erstaunen, aber dann festigte es sich zur Freude. Aber dies betraf nur jene, die ihren Worten gefolgt waren und Chammon nicht als das sehen wollten, was ihnen immer gesagt worden war. Der Tod war nichts Schlimmes und für die Menschen unausweichlich. Konnte man Chammon sehen dann konnte diese Gewissheit den Tod sogar erleichtern, wenn man ihn annahm als das, was er war. Für die Anyanar war er gewiss etwas anderes als für die Menschen. Doch letztendlich führte der Weg jedes Einzelnen über ihn. Bei manchen früher und bei anderen später. Whenda, die sich genau die Gesichter ihrer Kameraden ansah, erkannte, dass es mehr Frauen waren, die in Chammon etwas anderes sahen als das ewige Dunkel, das er für die meisten verkörperte. Dann war er verschwunden und tauchte weiter im Westen erneut über den Leibern der gefallenen Soldaten auf. Noch immer folgten die Blicke ihrer Kameraden dem Schatten, der den gefallenen Körpern die Lichter nahm. Aber für viele war er nun kein Schatten mehr,
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