Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
verlief sehr einseitig, Fenja musste alles erfragen, was sie wissen wollte. Der Kapitän würde sich an ihre Abmachung halten, wie er sagte, doch Fenja war sich nicht mehr sicher, ob sie Tankrond in der Obhut dieses Trunkenbolds wissen wollte. Doch der Mann fuhr sicher schon sein Leben lang zur See und wusste, was er tat. Bis nach Idenstein würde er es schon schaffen. Von dort sollte Tankrond dann sowieso auf einem Schiff der Anyanar nach Maladan fahren. Also musste dieser Kapitän auch nicht die zwei großen Meere Vanafelgars überqueren. Es stellte sich heraus, dass er tatsächlich am frühen Morgen aufbrechen wollte, vorausgesetzt dass die Fracht, die er noch aufnehmen musste, auch wirklich rechtzeitig eintraf. Sollte sie sich verspäten, dann musste er noch so lange warten, bis sie hier war, klärte er das Mädchen auf. Aber er rechnete nicht damit, dass es zu einer Verspätung käme. Fenja erklärte ihm, dass ihr Cousin übermorgen in der Frühe zu ihm aufs Schiff kommen würde. Sollte er nicht bis zur Abfahrt des Schiffs erscheinen, dann brauchte der Kapitän auch nicht auf ihn zu warten. Fenja wollte sich diese Option noch offen halten. Sie hatte zwar das Geld für Tankronds Überfahrt bei sich, doch sie entschloss sich, dem Kapitän keine Anzahlung zu geben. Ihr Cousin würde bei Fahrtantritt das Geld bezahlen, erklärte sie. Dem Mann gefiel dies nicht, doch er akzeptierte den Handel und Fenja wollte gerade die Schenke verlassen, als der Kapitän ihr noch einmal hinterherrief, dass er ihren Verwandten nicht an Bord lassen würde, wenn er nicht bezahlte. Er nähme keine Schnorrer mit, die sich erhofften, die Reise dann bei ihm auf dem Schiff abarbeiten zu können. Von diesen gäbe es genug in den Häfen und er würde jeden ins Hafenbecken werfen, der dies bei ihm versuchte. Fenja entgegnete nichts und verließ die Schenke. Doch ihr Gefühl war nun noch schlechter geworden. Konnte sie diesem Mann vertrauen? Sie musste noch einmal mit Tankrond darüber reden. Aber wenn sie jetzt noch versuchen würde, seine Fahrt zu verhindern, dann konnte es passieren, dass er annahm, dass sie es aus Eigennutz tat, um ihren Willen durchzusetzen. Tankrond wusste schließlich genau, dass sie gegen seine Reise war, obwohl sie ihn dabei unterstützte. Wie seine Entscheidung ausfallen würde, war ihr durchaus bewusst. Aber man konnte nie wissen. Eine letzte Mahnung konnte nicht schaden. Der Kapitän gefiel ihr immer weniger, je mehr sie über ihn nachdachte. Auch sein Schiff war in keinem guten Zustand, wie sie noch einmal sah, als sie sich den Kai entlang zurück auf den Heimweg machte.
Der Baum der Hoffnung
Tharvanäa, 28. Tag des 8. Monats 2515
Er war herrlich anzusehen, fand Valralka. Es fiel ihr schwer, ihren Blick von dem Baum abzuwenden, der täglich weiter zu wachsen schien. Dies dachte sie auch, als sie jetzt vor ihm stand. Man konnte ihm fast beim Wachsen zusehen. Er reichte ihr bereits bis zur Hüfte hinauf, schätzte sie. Noch stand er auf der Kommode in seinem Behältnis, das am heutigen Tage gegen ein neues ausgetauscht werden sollte. Leanda und die anderen Gärtner hatten ihr geraten, dass es an der Zeit sei, den Baum in den Gärten im Freien einzupflanzen. Davon wollte Valralka jedoch nichts hören. Sie konnte sich einfach nicht von dem Baum trennen, dessen Samen ihr Tankrond zum Geschenk gemacht hatte. Sie sah in ihm mehr als nur eine Pflanze, die schnell wuchs. Immer dann, wenn ihr die Nacht am dunkelsten erschien, gab ihr sein Anblick Hoffnung. Deshalb wollte sie ihn auch unbedingt bei sich behalten. Die Gärtner mochten recht haben und es war für ihn an der Zeit, in der freien Natur seinen Platz einzunehmen. Aber der Baum war das Einzige, das sie hatte, und aus ihm, so schien es ihr, schöpfte sie ihre Kraft. Immer wenn sie in seine Nähe kam, wuchs ihre Hoffnung auf ein anderes Leben. Valralka fühlte sich sehr einsam. Außer ihrem Baum und dem Unterricht im Schwertkampf mit Großmeister Eilirond gab es in diesen Tagen nichts, an dem sie Freude fand. Im Haig war die Lage zwar etwas stabiler geworden als noch vor einem Jahr und es gab nur wenige Verluste. Aber dies seien immer jene Tage, die vor einem Sturm kamen, meinte Nerija. Diese hatte schon oft erlebt, dass nach einer kurzen Ruhephase dort die Kämpfe noch heftiger als zuvor aufflammten. Das Vanaforos, die Wehr der Vanäer, war in der Zwischenzeit weiter ausgebaut worden und diese Aufgabe forderte die ganze Aufmerksamkeit der Kanzlerin. Sie
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