Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
sollten, welches nach Schwarzenberg fuhr. Dann könnte er seine Steinkrüge gegen Bezahlung dorthin senden. Sie entschieden sich jedoch dagegen. Wenige Schiffe vom Idenstein liefen im Jahr überhaupt Schwarzenberg an, höchstens eins oder zwei, erinnerte sich Turgos. Meist kauften sie Pferde, die sie schon Jahre zuvor bei den Züchtern in seiner Baronie bestellt hatten. Er konnte den Schnaps ja schlecht an sich selbst schicken, das wäre zu auffällig gewesen. Aber der Hauptgrund, warum er von seinem Plan abließ, war seine Angst, sein Gebräu könnte verschwinden. Er traute den Seeleuten nicht und fürchtete, dass sie sich selbst über den Inhalt der Krüge hermachen würden, sobald sie erst auf See waren.
Whenda fand, dass Turgos, wenn er etwas Alkohol getrunken hatte, sogar noch besser die Leier spielte und sang als sonst. Er genoss es sichtlich, mit den anderen Menschen, die meist Händler waren, des Abends zusammenzusitzen und zu feiern. Whenda hatte schon lange vergessen gehabt, wie lustig die Menschen waren, wenn sie abends zusammensaßen und Spaß hatten. Auch ihr gefiel es, wie sie zugeben musste, sehr gut in deren Gesellschaft. Es gab viel zu erzählen und immer lauschten sie neuen Reisenden, die eintrafen und ihre Geschichten zum Besten gaben. In dem großen Gasthaus, in dem sie wohnten, waren nur Schiffseigner und vermögende Händler untergebracht. Normalen Menschen und kleinen Händlern war es viel zu teuer. Whenda fiel es schwer, Turgos dazu zu bewegen, ihre Reise wieder aufzunehmen. Immer weiter zögerte er ihre Abreise hinaus. Doch dann trafen sie eines Abends auf einen Mann, der am Tage zuvor aus Sirandar, einer Stadt im Lehen Siranfirien in Maladan angereist war. Dieser hatte keine guten Neuigkeiten zu verkünden. Er erzählte, dass der Krieg im Norden für Maladan schlecht stünde und alle Hoffnung aus den Herzen der Anyanar dort gewichen sei. Sie hörten ihm den ganzen Abend lang zu. Auch die anderen Händler, die mit am Tisch saßen, schienen gedrückter Stimmung zu sein. Viele glaubten gar, dass, wenn Maladan erst gefallen war, der Krieg auch bald hier in den Thainlanden seinen Einzug halten würde. Whenda war froh darüber, dass Turgos nun diese Worte auch aus dem Mund anderer hörte als nur aus dem ihren. Sie sah, wie er nachdenklich wurde, denn die Männer zweifelten alle nicht einen einzigen Augenblick daran, dass die Thainate den Sturm aufhalten konnten, der über sie hereinbrechen würde, sollte Maladan denn wirklich fallen. Die meisten von ihnen waren weit gereiste Männer und so wog ihr Wort schwer bei Turgos. Sie waren alle gebildet und wussten um den Lauf der Dinge. Jeder konnte lesen und schreiben und war auch etwas in den schönen Künsten bewandert. Auch in den Theatervorstellungen, die sie manchmal besuchten, trafen sie auf die Händler. Viele trugen des Abends eigene Gedichte vor und liebten philosophische Gespräche über das Sein der Welt und ihrer Dinge. Für Turgos war eine solche Gesellschaft etwas völlig Neues und er genoss sie zusehends. Aber auch sein Blick auf die Welt wurde dadurch verändert. Dies war auch der Hauptgrund, warum Whenda nicht stärker zum Aufbruch drängte. Der Baron konnte hier einen Einblick in Gedankenwelten nehmen, die ihm sonst verschlossen waren. Turgos schien ihr ernster zu werden, je mehr er von anderen erfuhr. Er sprach in dieser Zeit wenig mit Whenda, was sie gerne zuließ.
Die Thaina von Elborgan, Zeugis, hatte ihr Thainat gut unter Kontrolle. Sie war die erste Frau, die je ein Thainat anführte, seit das Reich von Fengol zerbrochen war. In der Stadt selbst waren nicht allzu viele Soldaten anzutreffen, die für Recht und Ordnung sorgten, denn es war auch nicht nötig. Die Händler und Schiffseigner sowie die Handwerkszünfte hatten ihre eigenen Ehrengerichte, in denen sie über ihre Mitglieder oder jene, die ihnen zugehörig waren, Recht sprachen. Die Bäcker hatten schon lange als Erkennungszeichen einen Ring in Form eines Kranzkuchens, der immer im Ohr zu tragen war. Verstieß einer der ihren gegen die Regeln der Zunft, so wurde ihm der Ring aus dem Ohr gerissen. Alle, die so gezeichnet waren, wurden hernach Schlitzohren genannt. Die anderen Handwerksgilden in Idenstein hatten diese Sitte übernommen. Somit hielt sich jeder der Lehrlinge, Gesellen und Meister an die Zunftordnungen, denn wenn jemand einmal als Schlitzohr gekennzeichnet war, durfte er keinen Gildentitel mehr tragen und konnte nur als normaler Tagelöhner sein Brot erwerben.
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