Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
dass Mago mit seinen Truppen geschlagen worden war und nach Norden floh. Irgendwo dort an den Quellen des Anjul stand er nun, eingekreist von den Truppen der Thaine, und kämpfte um sein Überleben und das seines ganzen Volkes. Temlas und Runa, die jeweils mit den Resten der kampffähigen Menschen Xenoriens zu seiner Hilfe geeilt waren, schafften es jedoch scheinbar nicht, die Umzingelten zu entsetzen. Vielleicht waren sie auch selbst schon bei dem Versuch mit ihren Truppen gefallen.
Es war schon eine Woche her, seit sie die letzte Nachricht von den Kämpfen in Xenorien erhalten hatten. Der Vormann überlegte gar, die verbliebenen Frauen und Kinder aus der Stadt zum Falkenstein zu schicken, damit sie einem möglichen Angriff entgingen. Jeden Tag rechnete er damit und hatte fast die Hälfte seiner Männer ausgesandt, damit sie die Gegend nach anrückenden Feinden ausspähten. Sollte dies eintreten, würde er die Stadt räumen lassen. Auch Turgos wusste das. Der Vormann hatte ihm auch gesagt, dass er ihn und Whenda ziehen lassen würde, sollten diese es wünschen. Seine Befehle waren wertlos, wenn der Verweser mit seinen Getreuen starb, und er fühle sich dann nicht mehr an sie gebunden. Turgos hatte Whenda noch immer nicht geantwortet und blickte stattdessen weiter zum Tor der Stadt. Die Anyanar war sich nicht mehr schlüssig, ob sie noch weiter hierbleiben sollten. Denn auch Whenda wollte keinen sinnlosen Tod sterben. Turgos rechnete jedoch nicht einmal im Traum damit, dass sie mit ihm kommen würde. Er glaubte vielmehr, dass sie hier lieber sterbend untergehen wollte, als zu fliehen. Umso verwunderter war er dann, als sie sagte, dass es vielleicht an der Zeit sei, nach Hause zu gehen. Für die Anyanar gab es jedoch einen anderen Ort, den sie Zuhause nannte, als für ihn. Deshalb war er nicht einmal erfreut über ihr Angebot, das sie ihm hier so lapidar mitteilte. Whenda sah ihn nun ihrerseits verwundert an, als sie sein Zögern bemerkte. Sie hatte damit gerechnet, dass er sofort alles für ihren Aufbruch vorbereiten wolle. Doch nun stand der Baron einfach da und sagte nichts. Auch Whenda drehte sich nun zum Stadttor um und sah in die Weiten Xenoriens hinaus. Da hatten sich die Getreuen so viele Jahre unbemerkt von ihr und Maladans Herren gehalten. Und erst jetzt, wo es zu spät war, waren sie entdeckt worden. Whenda machte sich Vorwürfe, dass sie nicht schon früher hierher zurückgekehrt war. Das Schicksal ganz Fengols hätte dann von ihr in andere Bahnen gelenkt werden können. Es half zwar nichts, diesen Gedanken weiter nachzugehen, sie konnte sie jedoch auch nicht unterdrücken.
Turgos beschied, dass es vielleicht besser sei, wenn sie noch ein, zwei Tage hierblieben. »Man weiß nie, wie das Schlachtenglück sich wendet. Eine verlorene Schlacht ist noch kein verlorener Krieg.« Whenda zog eine Augenbraue hoch. Solche Worte von ihm zu hören, war ihr neu. Der Baron neigte nicht oft zu hochgeistigen Einsichten. Vielleicht fühlte sie sich auch deshalb zu ihm hingezogen. Aber er erstaunte sie noch mehr als er sagte »Heute Abend trommeln wir alle in der Stadt Verbliebenen zusammen und singen gemeinsam ein paar Lieder. Sicher findet sich außer mir noch jemand, der ein Instrument spielt. Die Leute hier haben bestimmt auch noch viel Bier und auch Wein‚ wir sollten uns einfach unseres Lebens erfreuen. Was hältst du davon?«
Whenda hatte es die Sprache verschlagen. Sie war über seinen Vorschlag mehr als erfreut. Sie konnte zwar nicht einschätzen, ob die Frauen in der Stadt dies gutheißen würden. Ihre Männer, Brüder und Schwestern kämpften schließlich irgendwo da draußen in Xenorien um ihr Leben. Doch sie würde sich sofort auf den Weg machen, um dieses vielleicht letzte Fest in Lahrewan vor seiner Vernichtung zu organisieren. Einer jeden Frau, der sie davon erzählte, und die sie bei Sonnenuntergang zum großen Marktplatz der Stadt einlud, war zuerst nicht wohl bei der Sache. Als Whenda sie dann jedoch daran erinnerte, dass sie so den Kindern eine letzte Freude machen konnten, willigten sie ein. Viele taten es auch deshalb, weil sie ihre Gefallenen durch Lieder ehren wollten, die sie dann gemeinsam singen konnten.
Als die Nacht hereinbrach, sah Turgos, wie viele Kinder in der Stadt waren. Es mussten einige Tausend sein, schätzte er. Keines war älter als siebzehn Jahre, bei den Jungen lag das Alter sogar bei fünfzehn Sonnenjahren. Alle darüber waren mit im Krieg – und vielleicht schon tot. Viele
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