Unter dem Banner von Dorsai
Buch aufgeblickt und tat es auch diesmal nicht. Doch mir war – und das erfüllte mich mit heimlicher Genugtuung –, als zitterten seine Hände, die das Buch umklammert hielten, in einer Gefühlsregung, die er stets geleugnet hatte.
Eileen hatte mich die ganze Zeit, während ich sprach, ungläubig angestarrt. Jetzt ließ sie einen kleinen Seufzer hören und richtete sich auf, wobei ihr Blick zu Jamethon Black hinüberwanderte.
Sie sagte kein Wort, aber dieser Blick allein genügte. Ich beobachtete auch ihn, um vielleicht ein verräterisches Zeichen einer Gefühlsregung zu entdecken, doch nur ein kleiner, trauriger Schatten huschte über sein Gesicht. Er trat zwei Schritte auf sie zu, bis er fast an ihrer Seite stand. Ich machte mich bereit einzuschreiten, wenn nötig, um meiner Meinung Nachdruck zu verleihen. Doch er sprach nur zu ihr, sehr mild, in jenem etwas ordinären Idiom, dessen sich, wie ich aus meinen Studien wußte, diese Leute unter sich bedienten, die ich aber nie vorher vernommen hatte.
„Du willst also nicht mit mir kommen, Eileen?“ fragte er.
Sie erbebte wie eine schwankende Pflanze bei herannahenden schweren Schritten, wie eine Pflanze, die nicht fest im Boden verwurzelt ist, und wandte sich von ihm ab.
„Ich kann nicht, Jamie“, flüsterte sie. „Du hast doch gehört, was Tam gesagt hat. Es ist wahr. Ich würde dich im Stich lassen.“
„Das ist nicht wahr“, sagte er im gleichen leisen Tonfall. „Sag nicht, daß du es nicht kannst. Sag, daß du nicht willst, und ich gehe.“
Er wartete. Aber sie schaute ihn nicht an und mied seinen Blick. Dann, schließlich, schüttelte sie den Kopf.
Er holte tief Luft. Er hatte weder Mathias noch mich angeblickt, seitdem ich aufgehört hatte zu sprechen, und auch jetzt würdigte er uns keines Blickes. Ohne auch das geringste Anzeichen von Schmerz oder Wut wandte er sich ab und verließ leise die Bibliothek, ging aus dem Haus und entschwand den Blicken meiner Schwester für immer.
Eileen drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus dem Zimmer. Ich aber schaute auf Mathias. Er blätterte eine Seite in seinem Buch um, ohne mich dabei anzusehen. Und nie erwähnte er jemals diesen Vorfall, noch verlor er je ein Wort über Jamethon Black.
Eileen übrigens auch nicht.
Doch kaum ein halbes Jahr später unterzeichnete sie ihren Vertrag für Cassida und wurde auf jene Welt versetzt. Wenige Monate nach ihrer Ankunft heiratete sie einen jungen Mann, einen Einheimischen mit Namen David Long Hall. Weder Mathias noch ich erfuhren etwas davon. Die Nachricht erreichte uns mehrere Monate nach der Hochzeit, aber aus anderer Quelle. Sie selbst schrieb keine Zeile.
Aber zu jener Zeit kümmerte ich mich bereits ebensowenig um sie wie Mathias. Der Erfolg, den ich bei Jamethon Black und bei meiner Schwester errungen hatte, als wir seinerzeit in der Bibliothek versammelt waren, hatte mir jenen Weg gezeigt, den ich selbst einschlagen wollte. Ich begann Techniken zu entwickeln, um Menschen zu manipulieren, wie ich es bei Eileen getan hatte, um das zu erreichen, was ich anstrebte. Gleichzeitig hatte ich auch eine heiße Spur gefunden, die mich zu meinem eigenen Ziel, zu Macht und Freiheit, führte.
5
Es stellte sich aber heraus, daß jene Szene in der Bibliothek in meiner Erinnerung festsaß, daß sie weiter in mir bohrte, so sehr ich auch versuchte, sie zu vergessen.
Während der fünf Jahre, in denen ich die Erfolgsleiter beim Nachrichtendienst emporkletterte, erhielt ich keine Nachricht von Eileen, keine Zeile, kein Wort. Sie schrieb weder an Mathias noch an mich. Die wenigen Briefe, die ich an sie richtete, blieben unbeantwortet. Ich kannte eine Menge Leute, doch ich konnte nicht behaupten, daß ich Freunde hatte – und Mathias zählte ohnehin nicht. Wie von ferne, in einem verborgenen Winkel meines Herzens, wurde ich mir allmählich bewußt, daß ich ganz allein auf der Welt stand und daß ich im ersten fieberhaften Rausch meiner neuentdeckten Fähigkeit, Menschen zu manipulieren, besser ein anderes Opfer für meine Versuche gewählt hätte als den einzigen Menschen auf diesen vierzehn Welten, der zumindest einen einzigen Grund haben konnte, mir zugetan zu sein.
Fünf Jahre später stand ich auf einem Berghang auf Neuerde, der erst kürzlich durch schwere Artillerie verwüstet worden war. Ich streifte über den Hang, der einen Teil jenes Schlachtfeldes bildete, das erst vor wenigen Stunden von den vereinigten Streitkräften von Altland erobert worden
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