Unter dem Banner von Dorsai
nachzuprüfen.
In Jamethon Blacks Fall hatte ich meine Angel sowohl in jenem Bereich ausgeworfen, der zur Liebe zu Eileen fähig war, als auch in jenem Seelenbereich aller stolzen und hochmütigen Menschen (Stolz und Hochmut war aber das Kernstück der Religion dieser Quäker), der ihn dazu anhielt, seine langgehegten Ressentiments zu überwinden, was eine frühere und (soweit er wußte) faire Niederlage betraf.
Wenn er jetzt, nachdem ich auf meine Art zu ihm gesprochen hatte, den Paß für Dave verweigerte, so bedeutete dies, Dave bewußt in den sicheren Tod zu schicken. Und wer konnte glauben, daß dies seinen Idealen entsprach, jetzt, wo ich Jamethon jene emotionellen Fäden aufgezeigt hatte, die zu seinem Stolz und zu seiner verlorenen Liebe führten?
Jamethon rutschte auf seinem Sitz hin und her.
„Geben Sie mir den Paß, Mr. Olyn“, sagte er. „Ich will sehen, was sich tun läßt.“
Ich gab ihm den Paß, und er verließ mich.
Schon nach wenigen Minuten war er zurück. Diesmal stieg er nicht ein, sondern beugte sich zur offenen Tür herein und reichte mir den Paß.
„Sie haben mir nicht gesagt“, meinte er mit seiner ruhigen Stimme, „daß Sie bereits einen Paß beantragt haben und abgewiesen wurden.“
Ich hielt den Atem an, den Paß in der Hand, und schaute zu ihm auf.
„Bei wem? Bei dem Mann dort drinnen?“ sagte ich. „Das ist doch nur ein Unteroffizier. Sie aber sind nicht nur Offizier, sondern auch Adjutant.“
„Trotzdem“, sagte er, „Ihr Antrag wurde abgelehnt. Und ich bin nicht in der Lage, eine Ablehnung rückgängig zu machen. Es tut mir leid. Wir können für Ihren Schwager keinen Paß ausstellen.“
Erst jetzt merkte ich, daß der Paß, den er mir zurückgegeben hatte, nicht unterschrieben war. Ich starrte auf das Papier, als wollte ich versuchen, es im Dunkeln zu lesen und unbedingt eine Unterschrift darauf entdecken, wo keine vorhanden war. Dann, schlagartig, stiegen Zorn und Wut in mir hoch, derer ich nicht mehr Herr werden konnte. Ich hob den Blick vom Papier und schaute durch den offenen Wagenschlag zu Jamethon Black auf.
„So wollen Sie sich also aus der Affäre ziehen!“ sagte ich. „Das ist der Vorwand, unter dem Sie Eileens Mann in den Tod schicken! Glauben Sie ja nicht, Black, daß ich Sie nicht durchschaue!“
Da er mit dem Rücken zum Licht stand und sein Gesicht in Schatten gehüllt war, konnte ich sein Mienenspiel nicht erkennen. Dennoch konnte ich eine leichte Reaktion wahrnehmen, einen Hauch von Traurigkeit, der mich streifte. Und er antwortete im gewohnten ruhigen Tonfall.
„Sie sehen nur den Menschen, Mr. Olyn“, sagte er, „nicht aber das Gefäß des Herrn. Meine Pflicht ruft. Guten Morgen.“
Er ließ den Wagenschlag ins Schloß fallen, wandte sich ab und ging quer über den Parkplatz davon. Ich saß da und schaute ihm nach, innerlich kochend, sobald ich über die scheinheiligen Worte nachdachte, die er mir entgegengeschleudert hatte und die ich als Entschuldigung entgegennehmen sollte. Dann fiel mir aber ein, daß ich noch so manches zu erledigen hatte. Als sich die Tür des Kommandogebäudes öffnete, hob sich seine dunkle Gestalt für einen Augenblick vom hellen Hintergrund ab. Dann verschwand er und mit ihm das Licht, während sich die Tür hinter ihm schloß. Ich startete meinen Wagen, wendete und verließ die militärische Zone.
Als ich das Tor passierte, wurde gerade die Wache abgelöst. Die abgelösten Wachleute aber, ein dunkler Haufen, immer noch bewaffnet, absolvierten ein besonderes Ritual, das bei diesen Leuten wohl gang und gäbe war.
Sie stimmten ein Lied an, als ich an ihnen vorbeifuhr, ein Lied, das sich eher wie Sprechgesang anhörte. Ich achtete zwar nicht auf den Text, doch die ersten drei Worte drangen dennoch an mein Ohr. „Frag nicht, Soldat …“ lauteten sie, und später erfuhr ich, daß es sich um ihr Kampflied handelte, ein Lied, daß sie stets sangen, wenn es einen besonderen Anlaß dafür gab, wenn die Stunde es erforderte.
„Frag nicht, Soldat …“ klang es mir immer noch im Ohr, während ich davonfuhr, Daves immer noch nicht bestätigten Paß in der Tasche. Und wieder einmal stieg die Wut in mir hoch, und ich schwor mir, daß Dave keinen Paß brauchen würde. Ich würde nicht zulassen, daß er während der nächsten Tage zwischen den Linien von meiner Seite wich. In meiner Gegenwart aber würde er jenen Schutz und jene Sicherheit bekommen, die er brauchte.
9
Es war halb sieben Uhr morgens, als ich
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