Unter dem Banner von Dorsai
bestimmt nicht meine Schuld !“
„Natürlich war es das nicht, Tam“, sagte sie. Ich starrte sie an. „Deshalb mache ich dir auch keine Vorwürfe. Du bist genausowenig verantwortlich für das, was du tust, wie ein Polizeihund, der darauf dressiert ist, jeden anzugreifen, der eine falsche Bewegung macht. Du bist das, wozu dich Onkel Mathias erzogen hat, Tam – ein Zerstörer. Es ist nicht deine Schuld, aber das ändert gar nichts. Trotz der ganzen Auseinandersetzungen mit ihm füllen dich Mathias 1 Lehren über das Zerstören vollkommen aus, Tam. Und für etwas anderes ist kein Platz mehr.“
„Wie kannst du so etwas sagen!“ schrie ich sie an. „Das ist nicht wahr. Gib mir nur noch eine Chance, Eileen, und ich werde es dir beweisen! Ich versichere dir, daß es nicht wahr ist!“
„Doch, das ist es“, gab sie zurück. „Ich kenne dich, Tam, besser als irgend jemand anders. Und ich habe die ganze Zeit über von diesem Teil deines Wesens gewußt. Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Jetzt aber muß ich mich damit abfinden – um Daves Familie willen, die mich braucht. Dave konnte ich nicht helfen, seinen Familienangehörigen schon – solange ich dich nicht wiedersehe. Wenn ich zulasse, daß du ihnen durch mich zu nahe kommst, wirst du sie ebenfalls zerstören.“
An dieser Stelle brach sie ab und starrte mich nur an. Ich öffnete den Mund, um ihr zu antworten, aber mir fielen nicht die passenden Worte ein. Wir standen uns gegenüber und blickten uns wortlos an, nur einen guten Meter voneinander getrennt. Doch diese Entfernung zwischen uns war wie eine lichtjahrweite Kluft, breiter und tiefer als alles, was ich in meinem bisherigen Leben kennengelernt hatte.
„Du gehst jetzt besser, Tam“, sagte sie schließlich.
Ihre Worte lösten meine Betäubung auf und brachten mich wieder zur Besinnung.
„Ja“, gab ich matt zurück. „Das sollte ich wohl.“
Ich wandte mich von ihr ab. Als ich auf die Tür zuschritt, hoffte ich noch immer, sie würde mich zurückhalten und bitten zu bleiben. Aber hinter mir rührte sich nichts; alles blieb still. Und als ich auf den Gang hinaustrat, warf ich einen letzten Blick über die Schulter.
Sie hatte sich nicht bewegt. Sie stand noch immer am gleichen Platz, wie ein Fremder, der darauf wartete, daß ich ging.
Und so ging ich. Und einsam und allein kehrte ich zum Raumhafen zurück. Allein, allein, allein …
16
Ich ging an Bord des ersten Schiffes, das zur Erde flog. Ich besaß nun Priorität vor allen anderen – bis auf Passagiere mit diplomatischem Status. Ich machte Gebrauch von ihr, verdrängte jemanden mit einer früheren Reservierung und fand mich erneut allein in einem Erste-Klasse-Abteil wieder – und das Raumschiff, in dem ich mich befand, ging in die Phasenverschiebung, fiel wieder in den Normalraum zurück, um seine neue Position zwischen den Sternen zu überprüfen, und sprang erneut.
Jene isolierte Kabine war wie ein Asyl für mich, eine Eremitenhöhle, ein Verpuppungskokon, in dem ich mich einschließen und neue Gestalt annehmen konnte, bevor ich in einer anderen Dimension erneut in die Welt der Menschen hinaustrat. Denn ich war nackt bis auf die Grundfeste meines elementarsten Ichs, und ich entdeckte nicht eine einzige Selbsttäuschung, die übriggeblieben war, um damit meine Blöße zu bedecken.
Natürlich hatte Mathias schon frühzeitig den größten Teil des Fleisches aus Selbsttäuschungen von meinen Knochen geschält. Aber hier und dort klebte noch ein Fetzen – wie die trüben Erinnerungen an die vom Regen ausgewaschenen Ruinen des Parthenon*, die ich als Junge üblicherweise auf den Bildschirmen betrachtet hatte, wenn mir Mathias’ furchtbare Dialektik einen weiteren Nervenstrang oder Sehne fortgerissen hatte. Nur allein durch seine Existenz dort über dem dunklen, fensterlosen Haus, war das Parthenon {1} für meinen jungen Verstand wie eine Widerlegung aller Argumente von Mathias gewesen.
Einst hatte es ein Abbild von Erhabenheit dargestellt – und deshalb mußte er sich irren, wie ich mich selbst zu trösten versuchte. Es war ein Beispiel für Größe gewesen, als es existiert hatte, und wenn die Menschen der Erde tatsächlich nicht mehr wert waren als Mathias behauptete, hätte dieser Tempel nie gebaut werden können. Aber das Parthenon war gewesen – und das war es, was ich nun begriff. Denn letztendlich waren nur Ruinen übriggeblieben, und der düstere Defätismus von Mathias hatte überdauert. Nun endlich kam ich der
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