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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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kleiner Baboon aussah.«
    Violet und Vanessa brachen wieder in konspiratives Kichern aus.
    »Siehst du«, rief Mum, »Violet findet dein Kostüm auch lustig.«
    »Könnten wir jetzt bitte weitermachen?«, sagte ich.
    Also packten July und Violet mich bei den Fußgelenken und hievten mich auf die Ladefläche, während ich stocksteif in meiner Blechtonne stand. Ich konnte den fettigen Fleischgeruch des Hundeessens an Julys Kleidern riechen und die grüne Waschseife an Violets Händen und Armen, aber diese sonst so trostreichen häuslichen Gerüche erzeugten in mir nur noch mehr das Gefühl, eine Ausgestoßene zu sein. Die Hunde liefen um uns herum und knallten ihre wedelnden Schwanzspitzen gegen die Tonne. Ihr aufgeregtes Hecheln trieb mir den Schweiß noch schneller aus den Poren.
    »So«, sagte Mum. »Auf geht’s.« Sie kletterte in den Landrover, Vanessa-Darling bekam den Beifahrersitz. »Du hältst das Baby«, sagte Mum und übergab ihr Olivia. Dann stieß sie einen Pfiff aus, und die Hunde sprangen zu ihnen hinein. Der Landrover holperte den Hügel hinunter, vorbei an der Obstplantage. Ich spürte den Stoß der Abflussrinne am Ende der Zufahrt, in der die Kobra lebte. Als Mum nach links auf die Straße bog, rutschte ich gegen das Fenster. Ich stellte mir Vanessa vor, wie sie bauschig-pink auf dem Vordersitz saß, ihre langen blonden Zöpfe, in die Mum zwei aus rosa und weißem Klopapier gebastelte Rosen eingeflochten hatte, flatternd im Fahrtwind. Und ich stellte mir Mum am Lenkrad vor – Hunde auf dem Schoß, die Knarre zum Fenster hinausgesteckt –, wie sie im Rückspiegel Frisur und Lippenstift überprüfte.
    »Ich fall hier hinten immer um!«, brüllte ich. »Fahr langsamer!« Aber mein Protest verlor sich im Hämmern und Dröhnen von Lucys Motor. Dass ich nicht mit toten Fischen gepeitscht wurde, half da auch nicht.
    Drei Jahrzehnte, zwei Länder und vier Farmen später saßen Vanessa, Mum und ich unter dem Baum des Vergessens auf Mums und Dads Fisch- und Bananenfarm am mittleren Sambesi. Irgendwie musste die Hitze unter dem Baum, das Jucken und Brennen vom Härchenflug der Falschen Lupinen mich an das Kostümfest vor dreißig Jahren erinnert haben.
    »Weißt du noch, dieser Weihnachtsfasching bei den Davis’, wo ich als ›I Never Promised You a Rose Garden‹ gehen musste?«, fragte ich Mum.
    »Lieber Gott«, rief Mum, »es geht wieder los! Das nächste unterdrückte Kindheitstrauma geistert aus der Erinnerung hervor!« Sie schaute in die Runde. Dann warf sie die Arme in die Höhe. »Einen Psychiater! Wer holt dem Kind einen Psychiater?« Wenn sie bei einer Party vor einem leeren Glas sitzt, macht sie exakt diese Geste: Sie wirft die Arme in die Luft und kreischt: »Austrocknung! Nicola Fuller of Central Africa leidet unter massiver Austrocknung!«
    »Olivia ging als ›Summer of Love‹ und Vanessa als ›Rose‹ mit einem rosa Ballettröckchen«, sagte ich.
    »Bist du sicher?«, fragte Vanessa.
    »Ja«, sagte ich.
    »Nein, stimmt nicht«, sagte Vanessa. »Ich bin als ›From Russia with Love‹ gegangen.
    Ich runzelte die Stirn. »Tatsächlich?«
    »Ja«, sagte Vanessa entschieden, »mit einer Mütze aus einem versifften und verflohten Stück Teppich und einem stickigheißen roten Hemd, schwarzen Schlotterhosen und Mums Reitstiefeln.«
    »Das verwechselst du mit einem anderen Jahr. Ich weiß genau, dass du eine Rose warst.«
    »Schön wär’s gewesen«, sagte Vanessa.
    »From Russia with love I fly to you«, sang Mum, und nach einer Pause, wieder im Gesprächston: »An den Film erinnere ich mich noch gut. Dad musste mit mir dafür bis nach Nairobi fahren. Auf der Bar standen die Wodkagläser schon aufgereiht.« Sie schnaubte. »Hm, na ja, der Film muss mächtig Eindruck auf mich gemacht haben, wenn ich einen absolut brauchbaren Teppich für Vanessas Kostüm hergegeben habe.« Sie holte Luft und sang weiter: »Much wiser since my good-bye to you …«
    »Hörst du?«, sagte Vanessa.
    »I’ve traveled the world«, sang Mum, »to learn I must return to Russia with loooo-oooove!«
    »Ich musste hinten auf dem Landrover hocken, und du und Mum und Olivia habt mit den Hunden vorn gesessen«, sagte ich.
    »Zwangsjacke!«, rief Mum.
    »Und minenfest war nur das Führerhaus des Landrover«, sagte ich.
    »Tranquilizer!«, kreischte Mum.
    »Wenn wir über eine Mine gefahren wären, wäre dir, Olivia, Mum und den Hunden nichts passiert. Aber ich wäre in die Luft gesprengt worden. Oder, Mum?«
    Vanessa fing an

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