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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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sagt Mum. Als Reaktion darauf – »aus heutiger Sicht eine gelinde Überreaktion« – trieben die MacLeods dreihundertfünfundneunzig Macdonalds in die St.-Francis-Höhle auf der Insel Eigg und zündeten vor dem Eingang ein Feuer an. Die gefangenen Macdonalds erstickten. Clanranald, das Oberhaupt der Macdonalds, nahm sich den ganzen Winter und halben Frühling Zeit, auf eine geeignete Vergeltung zu sinnen. »Logisch«, sagt Mum, »Highlander sind nicht gerade dafür bekannt, die andere Backe hinzuhalten.« Und so schlichen sich am ersten Sonntag des Mai 1578 Kämpfer der Macdonalds im Schutze dichten Nebels an die Trumpan Church, in der sich eine große Zahl MacLeods von nahe gelegenen Höfen zum Gottesdienst versammelt hatte. Die Macdonalds verriegelten die Kirchentür von außen und setzten Feuer auf das Strohdach. Alle dem Gottesdienst beiwohnenden MacLeods verbrannten, bis auf eine junge Frau, die entkam, indem sie sich durch ein schmales Fenster zwängte und sich dabei eine ihrer Brüste abriss.
    Ich blinzle durch den starken Regen und stelle mir die junge Frau vor, wie sie blutend und in panischem Schrecken durch den Nebel über der Heide zum Dunvegan Castle läuft. Als sie ihre Hilferufe hörten, hissten die MacLeods ihr gefürchtetes Banner – »Die Fairy Flag «, sagt Mum, die diesen Teil der Geschichte genießt, »wir sind nämlich ein sehr mystischer, wilder Menschenschlag, weißt du?« Sie stürmten daraufhin die verrußten Überreste der Trumpan Church, trieben die Macdonalds in die Ecke und metzelten sie nieder, bevor sie fliehen konnten. »Das nenne ich Zusammenhalt«, stellt Mum anerkennend fest.
    Ich ging um die Kirchenruine herum zu dem kleinen Fenster. Es erschien mir wie ein Schlitz, durch den man bestenfalls einen Pfeil schießen konnte, aber nie und nimmer wie ein Fluchtweg, nicht einmal unter schrecklichsten Umständen. Und überhaupt sollten Kirchen Orte sein, an denen man Schutz findet, aus denen man nicht panisch fliehen muss. Sie sollten generell als Zufluchtsstätten anerkannt werden. Aber darin unterscheiden meine Vorfahren sich nicht von den schlimmsten Verbrechern der Zeitgeschichte – sie gehören auch zu denen, die Menschen in Kirchen getötet haben. Ich kehrte zurück zu dem Ausblick übers Meer und lief den geschändeten Deich entlang. Eine kleine schwarze Wolke war von den Äußeren Hebriden herübergeflogen, um die nächste kleine Flut über mir zu entladen.
    Ausgekühlt und durchnässt – Imprägnierung stößt an Grenzen, wenn der Regen nicht mehr nur von oben, sondern auch von unten kommt – flüchtete ich mich ins nächste Pub. Dort saß ich vor einem großen Glas Bitter und wärmte mich auf, umgeben von amerikanischen Touristen, die Clananekdoten und Schottenkaromuster tauschten, und musste daran denken, dass Mum vermutlich gar nicht gerne auf der Insel Skye leben würde. Die endlosen Kriege um Land, die Blutfehden zwischen den Clans – all das ist Vergangenheit. Heute dürfte sie bestenfalls auf eine Wirtshauskeilerei hoffen, und selbst die wäre – der aufgeräumten Natur der Gäste nach zu urteilen – schon wieder vorbei, ehe man sich die besten Ringplätze gesichert hätte.
    Es ist zweifellos wahr, dass nach Mums Dafürhalten Boden gut, blutgetränkter Boden besser und mit dem Blut der eigenen Vorfahren getränkter Boden am besten ist. In dieser Hinsicht wäre die Insel Skye das ideale Fleckchen Erde für sie. Aber über die amerikanischen Touristen, die hier die Nähe zu einer Rohheit suchen, die sie gar nicht mehr verstehen, würde sie sich mächtig ärgern. Und die Schafe würden sie zu Tode langweilen. Denn auch hinter der Maske eines Kamels, Kaffernbüffels oder eines Elefanten bleibt ein Schaf ein Schaf.

Nicola Fuller und die Kostümfeste

    Mum und Tante Glug als Alice und das
weiße Kaninchen, Kenia, ca. 1950
    Als Mum sechs Jahre alt war, machten ihre Eltern Urlaub von Kenia und nahmen ihre beiden Kinder auf eine Reise nach Großbritannien mit. Von der dreiwöchigen Schiffsreise von Mombasa nach Southampton und wieder zurück sind Mum drei Dinge im Gedächtnis geblieben: »Als das Schiff den Äquator passierte, musste man diese grauenhafte Zeremonie über sich ergehen lassen. Die Passagiere wurden in große Wasserkübel getaucht und mit toten Fischen gepeitscht.« Dann erinnert Mum sich noch an einen Zwischenstopp in Gibraltar, wo sie von ihren Eltern mit zu den Berberaffen geschleppt wurde. »Bei einer Bullenhitze mussten wir da raufklettern und diesen

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